Jan Minařík
Jan Minařík arbeitet schon ab 1970 als Tänzer in Wuppertal. 1973 übernimmt ihn Pina Bausch in ihr neu formiertes Tanztheater Wuppertal. Bis zum Jahr 2000 gehört er zum Ensemble. Er entwickelt 36 Stücke von Pina Bausch mit.
Informationen
1945 | geboren in Prag (Tschechoslowakei) |
1970 | engagiert ihn Ivan Sertić nach Wuppertal |
1973 bis 2000 | Mitglied des Tanztheater Wuppertal mit zahlreichen bedeutenden Rollenkreationen |
2022 | stirbt in Tschechien |
Biografie
Jan Minařík
wird am 25. August 1945 in Prag/Tschechoslowakei geboren, wo er am dortigen Konservatorium eine klassische Tanzausbildung absolviert. Den Berufswunsch entwickelt der gelernte Koch, weil er nicht zum Militär gehen will. Nach ersten Engagements am Prager Nationaltheater (1966/67) und als Solist in Brno/Brünn (1967–69) emigriert er 1969 und tanzt zunächst am Tiroler Landestheater Innsbruck. 1970 wechselt er unter Ballettdirektor Ivan Sertić als Solotänzer zum Ballett der Wuppertaler Bühnen, wo er unter dem Künstlernamen Jean Mindo auftritt. Als Pina Bausch 1973 die Leitung des Wuppertaler Balletts übernimmt, verlässt die Mehrheit der Tänzer:innen gemeinsam mit Sertić das Haus. Minařík bleibt und entwickelt sich rasch zu einem wichtigen Mitarbeiter Pina Bauschs und zu einem der profiliertesten Tänzer/Darsteller des neu formierten Tanztheater Wuppertal.
Die „Mutter der Kompanie“
Schon seine frühen Rollenkreationen prägen sich ein, vor allem in Das Frühlingsopfer und Blaubart. Keiner kann einen derart ungekünstelten dramatischen Blick aufsetzen, kaum einer wirft sich mit solch elementarer Wucht in seine Rollen. Wenn er als Blaubart auf dem Rücken liegend die in zahllose alte Kleider verpuppte Judith keuchend über den Boden zerrt, wird einem Angst und Bange. Minařík zeigt, wie der gruselig obsessive Herzog am Ende beklemmend vom Täter zum Opfer mutiert, ein Gefangener der eigenen Besessenheit. Minaříks physische und emotionale Erschöpfung am Schluss des Stücks ist nicht gespielt, sie ist stets echt.
Neben dem dramatischen verfügt der beeindruckende Darsteller über ein ebenso starkes komisches Talent. Travestie-Rollen entwickeln sich zu einer weiteren Spezialität Minaříks. In Nelken posiert er 1982/83 zum zehnjährigen Jubiläumsfoto der Kompanie in wallendem Abendkleid und schief aufgesetzter Perücke als „Mutter der Kompanie“. Die ist er inzwischen tatsächlich und zugleich eines ihrer Markenzeichen. Seine seltsamen Verkleidungen schaffen immer wieder gezielte Verstörungen: als Amor im schillernden Minikleid; als Freiheitsstatue mit einer Korona aus Zigaretten; als taumelnder Bankräuber oder nackter König, der lakonisch bemerkt: „Man hat mich beraubt“.
Tänzer und Fotograf
Den harten tschechischen Akzent legt Minařík nicht ab, sondern kultiviert ihn genüsslich und nutzt ihn für seine subversive Komik. Damit hat er die Lacher auf seiner Seite, aber sein stoischer Ernst sorgt zugleich dafür, dass seine schrägen Auftritte nicht bloß witzig daher kommen. Für mehr als ein Vierteljahrhundert ist er, der in vielen Stücken die Rolle des Spielleiters oder stillen Beobachters übernimmt, für Pina Bausch ein unverzichtbarer Arbeitspartner, der sich nie mit schnellen Lösungen zufrieden gibt. Er hat ein waches Auge für dramaturgische Fragen beim Zusammenfügen der Stücke und überraschende Kostümideen. Neben seiner Arbeit als Tänzer begleitet er als Fotograf das Ensemble während der Probenarbeit und auf Tourneen. Seit 1981 ist er mit einer weiteren Protagonistin des Tanztheaters, Beatrice Libonati, verheiratet, mit der er zwei Kinder hat.
Mit 55 Jahren beendet Jan Minařík 2000 aus gesundheitlichen Gründen seine Laufbahn als Tänzer und Darsteller und hinterlässt im Tanztheater Wuppertaler eine schwer zu füllende Lücke. Am 26. Juni 2022 stirbt er auf seinem Bauernhof in Tschechien.
Text: Norbert Servos
Galerie
Foto: Jan Minařík
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