Interview avec Ed Kortlandt, 23.5.2022
Au début de l'interview, Ed Kortlandt raconte ses premiers contacts avec la danse. À sept ans, il voit un homme et une femme danser la Polka et est fasciné par cette danse. Il continue à pratiquer la danse folklorique comme loisir et rejoint ensuite une jeune compagnie à Amsterdam où la danse folklorique est pratiquée de manière professionnelle. Il commence également à prendre des cours de ballet à 16 ans et continue à le pratiquer comme un loisir pendant l'école et plus tard pendant ses études. Il étudie ensuite la musique et la danse au Conservatoire d'Amsterdam.
© Pina Bausch Foundation
Interviewé/interviewée | Ed Kortlandt |
Interviewer | Ricardo Viviani |
Caméra | Sala Seddiki |
Permalink:
https://archives.pinabausch.org/id/20220523_83_0001
1. Family and education
Chapitre 1.1
Dance background
Ricardo Viviani:
Wie bist du zum Tanz gekommen?
Ed Kortlandt:
In dem Stück Nelken erzähle ich – wie alle anderen auch – in einem Satz, wie ich zum Tanz gekommen bin. Und ich habe erzählt, ich war sieben Jahre alt, als ich einen Mann und eine Frau Polka habe tanzen sehen – das war, als ob sie flogen! Und das hat mich unheimlich mitgenommen! Meine Eltern wollten mal Urlaub machen ohne die Kinder. Mein Bruder und ich kamen also in ein Camp für zwei Wochen, wo man mit Jugendlichen in den Wald geht und so. Und der Leiter des Camps machte Folkloretanz und der hat mit seiner Tochter getanzt und ich fand das wunderbar! Das wollte ich auch machen! Und dann habe ich jahrelang das als Hobby gemacht, Folkloretanz. Und mit 16 Jahren gab es etwas Neues in Amsterdam: Da wurde eine neue Compagnie gegründet von Leuten, die ich schon aus der Folklore-Szene kannte. Und diese Compagnie wurde nicht bezahlt, die hatten kein Geld. Das waren alles Leute, die auch andere Jobs hatten. Aber der Anspruch war, es professionell zu machen. Und in den Niederlanden ist – anders als in Deutschland, wo ein Theater mehrere Sparten hat – alles getrennt, Opern, Konzerte. Theater ist eine Sache und die Gruppe ist eine andere Sache. Und mit dieser Gruppe haben wir Folkloretanz gemacht hier und da – wie die Ballett-Compagnien auch. Und wir haben überall in den Niederlanden Vorstellungen gegeben. Unser großes Vorbild war das Moissejew-Theater in Russland mit russischer Folklore und auch das Berjoska-Ensemble, das nur aus Frauen besteht. Und wir hatten russische, jugoslawische, schottische und rumänische und bulgarische Tänze – viel aus dem Balkan, ein wirklich abwechslungsreiches Programm! Und ich habe das mit viel Vergnügen getanzt! Und neben der Schule, mit 16, habe ich auch mit Ballett angefangen – weil ich wollte was anderes machen als die anderen. Und das hat mir auch gut gefallen, das Körperliche hat mir sehr zugesagt. Und so habe ich während der Schulzeit und auch später während des Studiums als Hobby immer Tanz und Ballettunterricht gehabt – und auch Musik. Ich habe ganz früh schon mit Musik angefangen.
Chapitre 1.2
Early years in Amsterdam
Ed Kortlandt:
In Amsterdam! Ich bin ja in Amsterdam aufgewachsen – das heißt, also 20 Jahre Freiheit, die erste Liebe, Schule, später das Studium. Nach dem Abitur habe ich erst Medizin studiert, weil ich aus einer Familie komme, wo es nicht in Frage kam, dass man Tanz als Beruf macht. Meine Mutter war Ärztin und mein Vater Professor an der Universität. Und für mich war die Richtung vorgegeben. Aber während des Studiums wurde Musik und Tanz immer wichtiger für mich. Und ich habe dann das Medizin-Studium abgebrochen, weil ich zum Militärdienst musste. Dann war ich zwei Jahre beim Militär, habe da sogar Karriere gemacht, bin immer noch Oberleutnant, kann aber nicht mehr eingezogen werden mit meinen 77 Jahren. Und es wurde mir sogar angeboten, Berufs-Offizier zu werden. Aber ich wollte tanzen! Und das hat in der Armee keinen gestört – man hätte ja erwarten können, dass man schief angeguckt wird, aber das war überhaupt nicht der Fall! Es war alles in bester Ordnung. Nach dieser Zeit habe ich dann angefangen in dem Studio von Mascha ter Weeme – die war eine der Gründerinnen von einer der größten Ballettgruppen in den Niederlanden, Ballett der Lage Landen, und sie war die Direktorin davon. Sie hatte eine private Ballettschule. Und nebenher habe ich dann in der Scapino Tanz-Akademie auch Ballett gemacht. Und gleichzeitig habe ich am Amsterdamer Konservatorium Querflöte als Hauptfach, Klavier im Nebenfach und die theoretischen Fächer studiert – also beides: Musik und Tanz.
Ricardo Viviani:
Wo hast du Ballett gelernt?
Chapitre 1.3
Pina Bausch in Rotterdam
Ricardo Viviani:
Du hast dann schließlich einen Job in einer Compagnie für Modernen Tanz in Rotterdam gehabt – wie ist es dazu gekommen?
Ed Kortlandt:
Das Musikstudium habe ich mit einer Prüfung – die dem heutigen Bachelor entspricht – abgeschlossen. Und mit dem Hauptinstrument habe ich dann aufgehört und die Ausbildung im Ballett habe ich nicht beendet. Aber ich habe vorgetanzt bei einer neuen, kleinen Modern Dance-Compagnie in Rotterdam. Und die Leiterin hatte bei Martha Graham in New York studiert und sie gab dann Modern Dance-Unterricht im Stil von Martha. Außerdem hatten wir Ballett-Training und wir hatten Gast-Choreographen: Und Pina Bausch war darunter. Weil Ineke Sluiter, unsere Leiterin, hatte Pina Bausch in Köln gesehen, als sie den Ersten Preis beim Choreographenwettbewerb gewonnen hatte. Und sie hat sie gefragt, ob sie als Gast mit uns das einstudieren wollte. Sie hat zugesagt und das gemacht. Das hieß Im Wind der Zeit, das Stück – und das haben wir dann einstudiert. Auch Lucas Hoving, der auch schon Kontakt hatte zu Pina und unserer Chefin, ist als Gast-Choreograph gekommen und hat ein Stück gemacht – war eine ganz interessante Zeit. Eine ganz kleine Gruppe war das, aber mit namhaften Top-Leuten!
2. Off to New York
Chapitre 2.1
About Im Wind der Zeit
Ricardo Viviani:
Und diese Modernität, die Pina euch beigebracht hat: Ward ihr euch dessen bewusst, dass das in eine andere Richtung ging und etwas Neues war? Sie hatte schon einen Preis dafür bekommen – das war schon eine Anerkennung? Hat das bei euch Eindruck gemacht, konntest du dich mit ihrer Arbeit identifizieren?
Ed Kortlandt:
Das Stück Im Wind der Zeit, das Pina mit uns einstudiert hat, war relativ traditionell. Es gab eine Musik, es gab ein Bewegungs-Material, das man aus dem Modern Dance schon kannte. Da konnte man noch nicht ahnen, in welche Richtung das später gehen würde. Das war eine interessante Zeit. Ich war drei Jahre in dieser Compagnie. Aber das Problem war, dass es dann auch andere Choreographen gab. Und diese Gast-Choreographen hatten Ideen! Und mit den Ideen und was sie so erwarteten und so – da habe ich gedacht, tja, als Hobby war es doch eigentlich viel schöner! Und dann habe ich überlegt, man kann zwei Wege gehen: Entweder man geht seinem Herzenswunsch nach – oder man macht einen Beruf, wo man Geld verdient und als Hobby macht man was anderes. Und dann habe ich gedacht, vielleicht ist das zweite Modell für mich besser. Und dann habe ich mich für Zahn-Medizin an der Uni in Utrecht eingeschrieben – das war zu der Zeit DIE Universität für Zahn-Mediziner. Und ich hatte einen Studienplatz, es war alles schon geregelt – das Ende meiner Karriere als Tänzer. Aber dann habe ich mit meiner Compagnie in Köln einen Sommerkurs besucht – quasi als Abschluss meiner Karriere. Und unter den Lehrern war Hans van Manen und Mary Hinkson. Und Mary Hinkson kam von Martha Graham und sie hatte die Leitung, weil Martha im Krankenhaus war. Und sie hat mir einen Vertrag angeboten! Das muss man sich mal vorstellen: Eine weltberühmte Compagnie und hunderte Tänzer, die arbeitslos waren – und ich will aufhören! Hab ich gedacht, das ist ja ein Gottesgeschenk! Ich kann nicht einfach sagen, jetzt werde ich Zahnarzt! Das hat alle meine Pläne umgeworfen. Dann haben die mir den Flug bezahlt und das Hotel – die wollten mich unbedingt haben! Ja, da ist mir auch die Kinnlade runtergefallen! Ich konnte nicht anders als „Ja“ sagen! Also ab nach Amerika!
Chapitre 2.2
In New York
Ricardo Viviani:
Martha Graham war damals zwar schon alt, aber sie hat immer noch ziemlich lange gearbeitet, das konnte man nicht ahnen in dieser Zeit. Und in der Zwischenzeit hat Pina dann ihre Compagnie in Wuppertal gegründet: Hat sie dir auch ein Angebot gemacht?
Ed Kortlandt:
Nein, warte mal. Martha war natürlich eine außergewöhnliche Persönlichkeit! Und ich kann nicht aufstehen gerade, aber bei einer Probe gab es eine Situation, da musste ein Mädchen so machen und nach hinten fallen lassen und vier Männer mussten sie auffangen und so nach oben heben – und das klappte nicht richtig. Und Martha kam dann, ganz krumm, dahin, hat sich hingestellt, hat so gemacht und ließ sich fallen! Und niemand hatte damit gerechnet, die wurden alle panisch – und haben so gemacht und dann lag sie so da oben! Dann haben sie sie wieder hingesetzt und sie ist wieder auf ihren Platz gegangen. Der Direktor des Amsterdamer Konservatoriums, wo ich Musik studiert habe, der hatte Parkinson. Und wenn er mal eine Rede hielt, hat er die Hand in die Tasche gesteckt, so dass man das nicht so sah. Und er war aber ein wunderbarer Pianist gewesen – ich habe ihn gut gekannt, war mal bei ihm zuhause, da waren zwei Steinway-Flügeln nebeneinander in einem Raum und sonst nichts. Und er hatte auch im Haus Konzerte gegeben und so. Und wenn der sich ans Klavier setzte, dann konnte er immer noch spielen! Aber wenn er aufhörte, ist er wieder in sich zusammengesackt. Ähnlich war das bei Martha.
Chapitre 2.3
Returning to Europe
Ed Kortlandt:
Und mit Pina habe ich immer weiter Kontakt gehalten. Und als sie dann in Wuppertal anfangen wollte, hat sie mir einen langen Brief geschrieben, ich sollte doch unbedingt nach Wuppertal kommen! Und das war mir ein bisschen zu kurzfristig, außerdem habe ich mich in New York ja auch wohlgefühlt. Wenn man aus Amsterdam kommt, wo so viele verschiedene Menschen rumlaufen, man anonym ist, aber alle gehören dazu - das war in New York genauso! War wie zuhause quasi. Aber die Arbeit mit Martha war so, dass man sie nicht so oft zu Sehen bekam. Man arbeitete mit Assistenten, mit Videos an Rollen, die andere Leute schon kreiert hatten. Das war also ein bisschen museal. Und New York ist zwar atemberaubend, aber immer das Gleiche irgendwie! Ich wollte wieder zurück nach Europa, wo man alle 200 Kilometer in ein anderes Land mit anderen Sprachen kommt, es anderes Essen, andere Leute gibt! Diese Vielfalt! New York war doch ein bisschen eng, wenn man sich nur in der Tanz- und Kunstwelt aufhält. Ich hatte erstens also Lust auf Europa, zweitens wollte mich Pina unbedingt haben, dritten ist meine Freundin, Tjitske Broersma, auch zu Pina gekommen – und ich wollte das mal wieder ankurbeln! Und dann bin ich nach Wuppertal gegangen!
3. The early pieces
Chapitre 3.1
Tjitske Broersma in Nachnull
Ricardo Viviani:
Bevor wir über Wuppertal sprechen. Tjitske Broersma hat auch ein anderes Stück von Pina einstudiert, Nachnull – hast du das damals gesehen?
Ed Kortlandt:
Ja. Nachnull habe ich gesehen. Der Titel bezieht sich auf die Stunde Null, nach der Katastrophe. Und da gab es so eine Bewegung, wo dieser Arm – ich kann das nicht mehr vormachen – von hier da hin geht! Ein interessantes Stück - auch das Stück Aktionen für Tänzer! Und vor ihrer Wuppertaler Zeit hat Pina zwei Probestücke machen müssen. Der Herr Wüstenhöfer, der Intendant, hatte sie sozusagen entdeckt. Sie kam also nach Wuppertal und hat ihr die Aufgabe gegeben, zu einer bestimmten Musik eine Choreographie zu machen. Und sein Hauschoreograph in Wuppertal sollte das auch machen – es entstanden also zwei Choreographien zur gleichen Musik! Und das war das Stück Aktionen für Tänzer, das Pina gemacht hat, was wunderbar war! Ich habs gesehen! Und dann gab es in der Oper den Tannhäuser von Wagner – und da gibt es das Bacchanal am Anfang. Und Pina wurde gefragt, das einzustudieren und das hat sie wunderbar gemacht! Und der damalige Ballett-Kritiker Horst Koegler aus Köln hat das gesehen – das war 1972, ein Jahr, bevor das Tanztheater Wuppertal anfing -, und der hat geschrieben: Ja, diesen Zug können Sie von Köln aus nehmen, um den Anfang zu sehen und nach dem Bacchanal können Sie diesen Zug wieder zurück nach Köln nehmen! So eine Kritik hat er später nie mehr geschrieben über Pina, weil er war sehr konservativ. Und in den ersten Stücken von Pina – Fritz, Iphigenie und Orpheus – sprach er von „Küchenmief“, so wie „Bettlaken“ und so. Und erst bei Sieben Todsünden und Songs, was ganz viel Humor hat, da ist er plötzlich umgeschwenkt und hat plötzlich begriffen und positive Artikel über sie geschrieben! Aber an den ersten Stücken hat er kein gutes Haar gelassen. Pina hat gesagt, der Mann weiß gar nicht, was er Schlechtes tut!
Chapitre 3.2
Yvonne
Ricardo Viviani:
Du bist also nach Wuppertal gekommen und zunächst hat Pina noch selbst in ihren Stücke mitgewirkt – bei Yvonne. Kannst du dich daran noch erinnern?
Ed Kortlandt:
Ganz am Anfang mit der Compagnie wurde Pina gefragt, in der Oper Yvonne von Boris Blacher die burgundische Prinzessin zu spielen – eine stumme Rolle. Und das war für Pina natürlich Neuland – sie hatte ja noch nicht mal angefangen in Wuppertal! Das war sehr merkwürdig! Und die Sänger damals konnten mit der Musik auch nicht so viel anfangen. Das war alles so (singt vor) und ich glaube, Pina hatte einen guten Einfluss auf diese Leute, die ziemlich verloren wirkten. Kurt Horres hat inszeniert – wunderbar. Ich habe die Vorstellung zweimal gesehen. Und da gibt es zwei Dinge: Das eine ist, dass Pina beim zweiten Mal noch besser war als beim ersten Mal! Am Ende stirbt sie, weil sie eine Gräte in der Kehle hat – und wie sie das gemacht hat, da hat man richtig Gänsehaut gekriegt! Und das andere ist, dass die späteren Stücke von Pina immer einige Herausforderungen für die Tänzer hatten. In Sacre lag Erde auf dem Bühnenboden, in Blaubart waren es Blätter, dann gab es auch mal Wasser – alles Dinge, die beim Tanzen ziemlich hinderlich waren. Und das erinnert mich an Boris Blacher – da gab es einen Moment, wo Murmeln über die Bühne rollten. Und der eine sang, „Was machst du da?“ und der andere „Ich erschwere das Gehen!“ – und genau das passierte in Pinas Stücken: Sie erschwerte das Tanzen!
Chapitre 3.3
First season and Fritz
Ricardo Viviani:
Die erste Premiere vom Wuppertaler Tanztheater war ein dreiteiliger Abend – wie es ja viele Stadttheater-Compagnien machen: Fritz von Pina Bausch, Rodeo und der Grüne Tisch. Welche Rolle hast du im Grünen Tisch getanzt?
Ed Kortlandt:
Pinas erster Abend war mit Fritz, Grüner Tisch und Rodeo von Agnes de Mille - und ich hatte im Grünen Tisch die Rolle von einem der Soldaten…ich weiß nicht mehr genau, von welchem.
Ricardo Viviani:
Hast du auch mal direkt unter Kurt Jooss getanzt – hast du Erinnerungen daran?
Ed Kortlandt:
Kurt Jooss ist gekommen, nachdem seine Tochter das Stück einstudiert hat – um nochmal dran zu feilen. Und er war damals ja schon alt, aber er hat das trotzdem so ein bisschen vorgemacht so und bei einer Probe hat er plötzlich gesagt, ach, ich habe ein bisschen Muskelkater! Da haben wir gemeint, Mann, wer hat das nicht? Und dann hat er mir auch gesagt, ich müsste mal die Brille abnehmen, das würde stören beim Ausdruck! Später habe ich dann „Kontakthof“ von Pina mit Brille getanzt. Ich habe dann mit ihm auch kurz gesprochen über seine Entscheidung, aus Nazi-Deutschland wegzugehen. Er hat mir vor allem viele Inspirationen gegeben – eher als nur die Fußstellungen zu korrigieren, das war alles schon getan. Und das Stück „Rodeo“ von Agnes de Mille war auch gut einstudiert von Vernon Lusby, ihrem Assistenten. Und sie ist hinterher dazugekommen und auch sie hat mich mehr inspiriert als choreographiert. Sie hat zum Beispiel am Anfang des Stückes über die Weite des Landes gesprochen und wir stehen da und machen so etwas auch in dem Stück und sie hat davon erzählt, wie man sich das vorstellen soll. Da hatte man eine andere Vision davon! Und das ist unheimlich wichtig: Eine Vision, wenn man tanzt! Und dann muss ich noch etwas erzählen: Pina hat in Amerika mit verschiedenen Choreographen gearbeitet. Und sie hat mir mal erzählt, da gab es mal eine Szene, wo ein Tänzer so da stand und in die Kulisse guckte. Und der Choreograph hat ihn gefragt: Was siehst du da? Die Zügel, den Inspizienten? Nein, nein – einen Baum! Was für einen Baum? Und plötzlich stand er ganz anders da – er stellte sich diesen Baum vor! Und das ist ganz essenziell – dass man ein Bild davon hat, was man tut!
Ricardo Viviani:
Rodeo, Grüner Tisch – und dann Pinas erstes großes Opernstück, Fritz! Wie war der Prozess? Hat sie mit etwas anderem angefangen, recherchiert…?
Ed Kortlandt:
Es war alles neu für uns. Und Fritz war ja nur ein ganz kleiner Teil – und Pina hat das einfach choreographiert. Es war noch lange nicht so, dass wir da eine große Mitsprache hatten. Das ist erst später gekommen!
Ricardo Viviani:
Welche Rolle hast du da gespielt?
Ed Kortlandt:
Meine eigene. Die Marlis hatte die Rolle von dem jungen Fritz und ich war eine Mann-Frau oder so etwas. Das war meine Rolle, glaube ich.
Chapitre 3.4
Fliegenflittchen
Ricardo Viviani:
Fliegenflittchen war ein Stück, das sie im Rahmenprogramm mit dir und Heinz Samm gemacht hat…
Ed Kortlandt:
Im ersten Jahr waren wir eigentlich noch kein „Tanztheater Wuppertal“. Wir waren das Ballett der Oper. Darum mussten wir auch andere Sachen machen – Operette zum Beispiel: Zigeunerbaron, Zwei Krawatten, ein Musical, und so weiter. Und das hat Pina natürlich nicht machen wollen, das hat dann alles Hans Pop, ihr damaliger Assistent, choreographiert. Und das war schön – auch mit dem Chor und dem Orchester und so -, gleich mal die anderen Sparten kennen zu lernen. Diese Chance haben die Leute, die später dazukamen, natürlich nicht gehabt! Da war mehr Distanz. Aber wir haben uns integriert gefühlt in dem Großen und Ganzen des Opernhauses. Wir hatten auch eine Kantine – und nach der Vorstellung tranken wir da oft ein Gläschen mit den Sängern, solche Sachen. Das war sehr befruchtend, das auch mal kennen zu lernen! Und neben diesen Dingen hat Pina auch kleine Sachen gemacht – und dazu gehört auch Fliegenflittchen. Das war ein Duett für Heinz Samm und mich – und Heinz war die Fliege und ich das Flittchen! Und das war quasi verführerisches Getue, wo wir so auf einen Sessel sprangen und wieder runter und zu zweit rumtanzten – man muss das sehen, ich kann das nicht erklären! Aber das war ganz inspirierend, ganz nett! Wir waren auch auf einem Gastspiel damit in Stuttgart.
4. Dance Operas
Chapitre 4.1
Iphigenie
Ricardo Viviani:
In der ersten Spielzeit kam dann auch ein Stück, das sehr wichtig war – ein Glanzstück von dir: Iphigenie. Wie war es da mit den Bewegungen von Pina und ihrem Einfluss auf die Arbeit der anderen Tänzer?
Ed Kortlandt:
Als wir Iphigenie einstudiert haben, haben wir ziemlich eng mit Pina zusammengearbeitet – an den solistischen Rollen. Und es gab ganz viele Sachen, die Dominique Mercy und ich zusammen hatten. Und weil wir teilweise den Ballettsaal nicht zur Verfügung hatten, haben wir auf einer Probenbühne gearbeitet. Und das war ein freier Wechsel: Pina hat Bewegungen vorgegeben, wir haben das ausprobiert und Dominique und ich konnten immer auch sagen, ach, lass uns das doch lieber so machen. Das war zwar ihre Choreographie und ihr Duett, aber es war auch so…das geht ja auch gar nicht anders, als dass sich zwei Leute, die etwas miteinander machen sollen, auch aneinander anpassen! Und Pina war inspiriert noch von Fritz - so dass wir das beide machen sollten. Weil wir in Fritz ja auch ein Szene zusammen haben – und da hat Pina schon gesagt: Ach, das ist wirklich wie in Iphigenie, die zwei Männer! Sie hat uns in Fritz gesehen – weil eigentlich war jemand anderes vorgesehen für die Rolle, die ich dann übernommen habe. Und am Anfang war eigentlich ein anderer eingeplant – das war Heinz Samm! Aber irgendwann hat Heinz gesagt, ich hab keine Lust mehr! Und dann ist er nicht mehr gekommen! Und dann haben Dominique und ich einfach weiter gemacht. Und da hat sich Pina ein bisschen schuldig gefühlt – und Fliegenflittchen gemacht, für Heinz und mich. Das waren die Zusammenhänge!
Chapitre 4.2
Restaging in the 90s
Ricardo Viviani:
Iphigenie stand drei Spielzeiten hintereinander auf dem Spielplan. Das war mit Orchester und Musik ja eine große Produktion, da brauchte man viele Theater-Personal für. Und dann wurde es viele Jahre nicht mehr gespielt! Es kam ja eine Zeit, wo du eine Weile weg warst von der Compagnie, aber kurz davor wurde Iphigenie nochmal einstudiert.
Ed Kortlandt:
1990 wurde „Iphigenie“ wieder einstudiert und da haben Malou, Dominique und ich das wieder gemacht – die gleiche Besetzung wie Jahre zuvor: Carlos Orta der Thoas damals in der ersten Premiere gespielt hat, war inzwischen verstorben. Lutz Förster hat dann die Rolle übernommen. Ich hatte mittlerweile gekündigt, denn Pina war sehr clever, auch geschäftlich. Und ich hatte keine Erfahrungen mit den Hierarchien in deutschen Theaterhäusern! In der Gruppe in Rotterdam waren wir alle gleichgestellt. Bei Martha haben zwar nicht alle gleich verdient, aber es gab keine Hierarchien in dem Sinne „Solo“, „Solo mit Gruppe“ – was weiß ich. In Wuppertal gab es das aber: Im Ballett, in der Oper gab es die „Gruppentänzer“, Solo mit Gruppe und so weiter. Ich hatte einen Gruppen-Vertrag und Malou und Dominique hatten Solo-Verträge. Und ich habe dann gesagt, also so geht das aber nicht! Und dann habe ich einen Solo-Vertrag gekriegt – und bin geblieben! Und zwei Jahre später habe ich wieder gekündigt, weil da war die Rede davon, dass Gast-Choreographen kommen würden. Und nach meiner Erfahrung in Rotterdam, wo ich fast aufgehört hatte zu tanzen, habe ich gesagt, ne, mit mir nicht! Und daraufhin habe ich einen Exklusiv-Vertrag mit Pina gekriegt! Und zwei Jahre später habe ich wieder gekündigt, da hat Pina gefragt, willst du wirklich gehen? Da hab ich gesagt, ich muss hier mal raus! Weil Pinas frühe Stücke wie Blaubart und so – da reißt man sich die Eingeweide aus dem Körper! Ich musste da mal von weg. Und da hat Pina mir ein halbes Jahr freigegeben, mit Gehalts-Fortzahlung. Und ich habe nur die Vorstellungen gemacht, die so liefen. Und danach konnte ich natürlich nichts mehr sagen…Aber dann kam nach 18 Jahren bei Pina der Ruf nach Rotterdam und da hat Pina mich nicht mehr halten können – da war ich weg!
Chapitre 4.3
Second season
Ricardo Viviani:
In der zweiten Spielzeit gab es die Lieder von Mahler und Ich bringe dich um die Ecke… mit Liedern, zusammen mit Großstadt von Kurt Jooss. Ich habe neulich Adagio angeschaut, das Mahler-Stück. Da sieht man – wie in Fritz – so viele Elemente, die wir von Pina kennen: Das Soziale, aber immer in Bewegung. Kannst du dich an Adagio erinnern?
Chapitre 4.4
Adagio
Ed Kortlandt:
Nicht so viel.
Chapitre 4.5
Orpheus
Ed Kortlandt:
Nicht so viel. Aber in der zweiten Spielzeit haben wir angefangen mit Orpheus! Damals haben sich die Leute ein bisschen gewundert, dass das so ähnlich werden sollte wie Iphigenie. Es ist aber ganz anders geworden! In Orpheus sind die zwei Hauptrollen – Orpheus und Eurydike – doppelt besetzt: Ein Tänzer und ein Sänger. Und der Chor wurde auf den Balkonen im Saal platziert – weil im Orchestergraben kein Platz für die Sänger war. Orpheus war Dominique – und weil sie in der nächsten Spielzeit weggehen wollte, hat sie sofort gedacht, wir müssen eine andere Besetzung haben. Und so haben Dominique und ich das zusammen kreiert – gemeinsam mit Pina. Und die beiden Premieren hat Pina dann auch so angekündigt: Eine mit Dominique und Malou und eine mit Jo Ann Endicott und mir. Und das war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, wo Pina auch Bewegungen vorgab, und uns bat, das mit unseren eigenen Vorstellungen zu kombinieren. Und so haben wir das zusammen entwickelt! Und weil das öfter gefragt wurde, wie das funktioniert hat mit Dominique und mir: Das ist hervorragend gelaufen – und nicht nur das: Wir waren sowieso befreundet! Und all die Jahre bis heute – das sind immerhin 50 Jahre – sind wir immer eng befreundet geblieben! Noch vor kurzem habe ich ihn besucht, wir haben zwei Stunden geplaudert über dies und jenes.
5. Creative spaces
Chapitre 5.1
Work environment
Ed Kortlandt:
Also, was andere Leute immer mal gerne vermutet haben: Gab es Animositäten zwischen uns oder so? Nein! Und das ist etwas, das zwischen uns sehr gut geklappt hat. Und Pina wollte irgendwann nicht mehr diese Aufteilung zwischen Soli und Gruppe. Sie fand, dass alle Tänzer etwas Eigenständiges haben – und darum hat sie allen auch einen Solo-Vertrag geben wollen. Und das drückt aus, welchen Respekt Pina hatte vor den Individuen! Jeder hat eine eigene Rolle und Persönlichkeit und alles, was er einbringt, ist nie besser als das, was der andere macht. Der ist einfach ganz anders! Und das ist eine der besten Eigenschaften von Pina gewesen – dass die Compagnie immer zusammenblieb! Denn ist ja oft vorgekommen, dass Leute kamen und gingen – wie Dominique und Malou in der dritten Spielzeit, Nazareth ist auch mal weggegangen, Héléne ist mal weggegangen – und sie hat nie gesagt: Ah, wenn du gehst, brauchst du nicht wiederkommen! Sie hat immer gesagt, ich mag die Leute, schade, dass sie weggehen wollen. Aber wenn ihr zurückkommen wollt – bitte gern! Und diese positive Eigenschaft von Pina möchte ich mal hervorheben!
Ricardo Viviani:
In 1980 kommen die unterschiedlichen Persönlichkeiten wirklich zum Vorschein – ich habe 1980 damals gesehen. Und am Ende hat man das Gefühl, dass man jede einzelne Person kennt, ganz persönlich! Das ist sagenhaft und sehr interesant!
Chapitre 5.2
Calling by my name
Ed Kortlandt:
In Walzer gibt es eine Szene, wo wir alle in einer Reihe stehen und etwas sagen: Einen Rat, den unsere Eltern uns mal gegeben haben. Und wir stellen uns dabei vor, dass wir einer von den Eltern – und sprechen uns selber an. Und Jean Sasportes sagte: Jean, mach, was du willst – aber lass dich nicht erwischen! Und Janusz hat gesagt: Janusz, schlaf mit Socken! Und ich habe gesagt: Eddie – meine Mutter nannte mich immer Eddie –, wenn du mal eine Freundin hast, guck dir genau ihre Mutter an! Denn deine Freundin wird später mal genau so! Und so lernt man die Menschen kennen, wenn sie sich selber mit eigenem Namen ansprechen! Das wirft ein kleines Licht auf jemanden! Und so lernt man die Personen ein bisschen kennen! Wir haben auch nie Rollen mit anderen Namen gespielt – wir haben immer uns selber gespielt!
Chapitre 5.3
Work process in the Lichtburg
Ed Kortlandt:
Die Lichtburg, unser Proberaum, ist ursprünglich mal ein Kino gewesen. Da gab es also kein Tageslicht, man wusste nicht, ob es draußen hell oder dunkel ist, regnet oder die Sonne scheint. Man konnte nicht anders, als sich auf sich selbst zu konzentrieren. Und die Arbeitsweise, die sich dann entwickelt hat, war, dass Pina Fragen stellte. Und wir standen alle in einer Reihe und man rauchte noch und Pina stellte eine Frage und man überlegte, ob einem was dazu einfällt. Und dann kam jemand nach vorne, sagte oder machte etwas, was mit Pinas Frage zu tun hatte. Die Fragen waren aber immer undeutlich, eigentlich waren es gar keine Fragen. Und man verstand das oft selber nicht und die Franzosen sagten, Hä? Qu’est-ce qu‘il a dit? Die erste Stufe war Verwirrung! Zum Beispiel eine Frage war „Ein Weihnachtsessen“ – eigentlich keine Frage, aber da überlegt man sich etwas zum „Weihnachtsessen“. Und dann fiel einem was ein, man ging nach vorne, machte was – und alle saßen da, guckten sich das an. Dann kam der nächste dran – und alle haben das dann aufgeschrieben. Und Pinas Tisch war voller Papier, sie notierte alles und so weiter. Und nach Wochen kam Pina und sagte, ach, du hast doch mal das und das gemacht damals, lass uns das nochmal machen! Und dann guckte man in seinem Büchlein nach, was und wie man das gemacht hat. Und das machte man dann auch mit jemand anderem – und plötzlich entstand eine kleine Szene. Und dann eine andere Szene – und das wurde dann zusammengefügt. Und das wurde dann größer, ein Block. Und wenn etwas fehlte, fragte Pina weiter. Vieles wurde dann wieder verworfen, aber so wurde das ein Ganzes und bis zum Ende wurde das alles zusammengesetzt.
Ed Kortlandt:
Und bei Bandoneon ist es mal passiert, dass der Teil vor und nach der Pause umgetauscht wurde – nach der Generalprobe. Und das Resultat war, dass es aus dem Nichts entwickelt hat. Man hatte eine Geschichte und eine Musik und hat ein Ballett daraus gemacht – so wie in den frühen Stücken. Sondern das war wie eine Saat, die aufgeht. Oder wie ein Nebel, der aufzieht und du siehst plötzlich die Landschaft dahinter. Und das war für Pina auch immer eine Überraschung: Eigentlich wollte sie ein fröhliches Stück machen – und dann wurde ein anderes Stück draus! Das bekam ein Eigenleben – wie bei den Schriftstellern, die ein Buch schreiben und plötzlich reagieren die Figuren anders, als sie gedacht waren. Und das Resultat war: Wenn man das Stück dann auf der Bühne sah, wirkte es immer sehr echt! Dieses Konstrukt von Pina war genial! Ganz schnell und langsam, hell und dunkel, leise und laut, mal ruhige, mal schnelle Szenen – das war eine Komposition wie eine Sinfonie, in der es Reihenfolgen gibt, die einen mitreißen. Aber die Dinge, die man sah, waren alle von den Tänzern erfunden worden! Es war nie so, dass Pina vorgab, mach mal das und das. Diese Szenen zeigen alle etwas sehr Persönliches der Tänzer! Die spielen nicht etwas – und das machte Pinas Stücke so glaubwürdig!
Ricardo Viviani:
Du hast die Entwicklung dieser Prozesse mitbekommen, von innen heraus. Da gab es bestimmt so eine organische Entwicklung – oder nicht? Hast du diesen Wendepunkt irgendwann gespürt, wenn die Tänzer immer mehr ihre eigenen Bewegungen entwickelten?
Chapitre 5.4
Evolution not a revolution
Ed Kortlandt:
Man sagt manchmal, Pina habe die Tanzwelt revolutioniert! Das ist natürlich nicht der Fall. Sie hat evolutioniert! Sie ist mit den Füßen immer auf dem Boden geblieben! Und eigentlich war die Zusammenarbeit mit dem Orchester anfangs ok, aber irgendwann hat das nicht mehr funktioniert. Als sie Blaubart machen wollte, hat das nicht mehr funktioniert, deswegen hat sie etwas anderes finden müssen und dann hat sie die Idee gehabt, dass sich die Figur des Blaubart die Musik anhört und sich erinnert, die Musik auch mit einem Rekorder zurückspulen kann auf der Bühne, damit er sich wieder erinnern kann. Und was man in dem Stück sieht, ist die Erinnerung von Blaubart! Eigentlich war das mit Orchester geplant, was dann aber nicht geklappt hat. Das nächst war, dass sie nach Bochum eingeladen wurde, um etwas mit den Schauspielern dort zu machen. Und mit denen konnte sie natürlich keine Bewegungen einstudieren, da hat sie was anderes machen müssen – und Fragen gestellt: Du bist traurig, wie bist du traurig? Spiel mal „traurig“! Und die Schauspieler haben dann etwas gemacht, das traurig ist. Und dann hat sich das eingespielt: Sechsmal „Warten“, sechsmal „böse“, sechsmal dies oder das. Es gab verschiedene Versionen, wie man sich begrüßen kann oder traurig sein kann oder so etwas. Das war der Kern ihrer Arbeitsweise. Und bei uns Tänzern hat sich das dann allmählich auch eingespielt, mit den Fragestellungen. Und in der Praxis ist es so, dass einem auch mal nichts einfällt und an anderen Tagen sprudeln die Ideen. Das gilt auch für die Kollegen: Da kommt jemand nach vorne, macht irgendwas und man denkt, hm…Und dann siehst du etwas und plötzlich fällt dir etwas ein, worauf er dich eigentlich erst gebracht hat. Und dann machst du das. Und man hat dann so einen inneren Bezug zu dem ganzen Geschehen – abhängig von der Tagesform.
Ricardo Viviani:
Aber das war schon besonders – auch so dieser kreative Umgebung zu kreieren, wo sich die Leute so sicher fühlen, dass sie sich auch mal trauen, Blödsinn zu machen. Sachen, von denen man selber denkt: Oh, das ist nichts…
Chapitre 5.5
In the last minute
Ed Kortlandt:
Bei dieser Arbeitsweise, auf Fragen zu antworten, fällt einem manchmal natürlich der größte Blödsinn ein. Und das Tolle bei Pina war: Du konntest machen, was du willst! Wenn man dachte, das wird nichts, aber man macht es dann doch – da hat sie nie direkt reagiert! Wenn es was Lustiges war, hat sie auch mal gelacht. Das bedeutet aber nicht, dass sie es auch gut fand. Und ob sie es gut fand oder nicht – sie hat alles notiert und dann später ist es auch in dem Kontext mit den anderen, ob etwas gut ist oder nicht. Und die Musik wurde auch so ausgesucht. In dem Prozess kann man nicht von vornherein sagen, die Musik soll so sein und die Bühne so. Sondern das sind Dinge, die dann oft im letzten Moment entstehen. Und manchmal passt es nicht – da wollte sie die Musik von Elvis Presley benutzen, Only you, das ging aber leider nicht in dem Stück, aber es ging dann in dem nächsten Stück „Nur du“! Und mit der Bühne war das auch so. Und der Bühnenbildner Peter Pabst war immer verzweifelt – weil er konnte nicht von vornherein, so wie das beim Film oder im Theater ist: Das Bühnenbild wird erst mal geplant, dann wird ein Modell gemacht und begutachtet, dann geht das in die Werkstätte und so weiter. Nein, das lief nach der gleichen Arbeitsweise ab – da musste manchmal im letzten Moment, in den letzten zwei Wochen, plötzlich das ganze Bühnenbild gemacht werden! Das ist allen auf die Nerven gegangen!
Ed Kortlandt:
Und so war manchmal die Bühne nicht fertig: Zum Beispiel in Keuschheitslegende gibt es fünf Krokodile – aber in der Premiere gab es dann nur eines! Und nach der Premiere sagte die Werkstatt, ja, die Premiere ist gelaufen! Fertig! Und Pina hat ganz schön kämpfen müssen, dass die anderen vier Krokodile auch noch gemacht wurden, verdammt nochmal! Und als das erste Krokodil fertig auf der Bühne stand, musste da einer so rückwärts reinkriechen und ein anderer musste das Maul aufhalten, das konnte man nicht alleine machen. Und der hatte dann auch ein Walkie-Talkie, das erst mal nicht funktioniert hat, und einen kleinen Ventilator, damit er genug Luft kriegt – und der war also in diesem kleinen Krokodil-Innenraum, mit dem er über die Bühne herumkrabbelte. Und bei der allerersten Probe war der Typ da drin und er war auf der Hinterbühne und wir waren vorne, weil Pina etwas erklärte. Und das Tier war noch nicht ganz trocken, die Gerüche von der Farbe haben ihn etwas benebelt und er hat Panik gekriegt und versucht, da rauszukriechen – was aber nicht gelang – und der musste dann ins Krankenhaus! Aber am nächsten Tag ist er schon wieder reingegangen.
Chapitre 5.6
I am making DANCING difficult
Ed Kortlandt:
Und dann hatten wir für Palermo, Palermo auch Proben. Und diese Stücke, die Kooperationen mit anderen Ländern waren, sind immer so entstanden, dass wir vorher auch ein paar Wochen in dem anderen Land waren, um uns inspirieren zu lassen – und dann ein Stück darüber zu machen. Bei Palermo war das auch so. Wir waren also in Palermo ein paar Wochen und probten dort in dem kleinen Theater. Und einmal während der Probe wurden wir regelrecht überfallen: Da kamen mehrere Männer in schwarzen Anzügen plötzlich durch verschiedene Türen und ich dachte, was ist denn das hier? Und das war der Bürgermeister, Leoluca Orlando, der gegen die Mafia angekämpft hat und Pina mit dem Stück beauftragt hat, weil er kulturell sehr engagiert war. Er hat auch Filme in Auftrag gegeben, die gegen die Mafia waren – ein sehr interessanter Mann, der nie ankündigte, wann er wohin kam, weil er immer in Gefahr war! Der kam plötzlich vorbei, weil er sehen wollte, was wir machen. Und dann war er wieder weg. Und ein anderes Mal war plötzlich ein Riesen-Krach auf der Hinterbühne, wir dachten schon, das ganze Haus stürzt ein! Das war Peter Pabst, der ein Bühnenbild ausprobiert hatte. Der hatte Steine mitgenommen – weil in Palermo standen so viele Gebäude, die nicht fertiggeworden waren, weil die Mafia da Geld dran verdient hat und so weiter. Und da kam ihm die Idee, gebröckelte Steine zu nehmen und eine kleine Wand aus Steinen zu bauen – und die hatte er fallen lassen, ohne uns zu warnen! Das war auch wie so ein Überfall! Und das ist dann ins Stück mit reingekommen. Wenn man Palermo sieht, ist der Vorhang erst zu – was meistens in Pinas Stücken nicht so ist. Und wenn der Vorhang hochgeht, geht das Licht an und man sieht diese Mauer und denkt erst mal, was ist das denn hier? Und ganz allmählich fällt die Mauer nach hinten in sich zusammen und zerbricht im lauten Getöse in tausend Stücke! Als wir das zum ersten Mal bei einer Probe machten, hat das den Boden so beschädigt, dass man den Boden mit Stangen darunter abstützen musste. Und dann haben die bei den Vorstellungen immer noch einen extra dicken Holzbelag auf den Theaterboden gelegt, damit der den Aufprall der Steine aushält! Und dann war das gar nicht so einfach, das Ganze gefahrenlos ablaufen zu lassen! Wenn hier die Bühne ist und hier ist das Publikum und hier steht die Mauer, dann sollte die Mauer natürlich so fallen. Aber wer kann schon voraussagen, dass sie nicht so fällt? Das musste also alles gesichert werden und es war dann so, dass es oben und unten je vier Seile aus einem anderen Material gab und die wurden dann ganz exakt so angebracht, damit die Mauer dann auch in die richtige Richtung fiel! „Ich erschwere das Gehen, ich erschwere das Tanzen“ – und wie!
Ed Kortlandt:
Und etwas Ähnliches passiert mit Sacre du Printemps. Die Idee war, dass das auf Torf spielen sollte. Und bei der ersten Probe staubte das und wir waren alle am Husten – das musste also nass gemacht werden. Aber dann rutschten wir alle aus und fielen hin! Dann gab es auch Tänzer, die sagten, das geht nicht, ich mache das nicht! Aber es gab eine Probe, wo entschieden werden sollte, wir machen das – oder nicht. Und – was für ein Zufall: Keiner musste Husten, die Feuchtigkeit war so, dass es das hielt und nichts staubte! Danach war es auch manchmal nicht gut, aber dann haben wir rausgefunden, wie man das macht: Es gab da diesen großen Behälter, so groß wie eine Mülltonne, da kam der Torf rein, dann wurde am Tag davor eine bestimmte Menge Wasser reingegossen. Und wir haben dann irgendwann rausgefunden, wieviel Wasser man brauchte, damit der Torf die richtige Konsistenz hat!
6. Rolf Borzik
Chapitre 6.1
Stage sets and costumes
Ricardo Viviani:
Rolf Borzik – erinnerst du dich an ihn?
Ed Kortlandt:
Selbstverständlich! Wir waren befreundet – über die Fotografie auch. Und er war Holländer, wir haben daher immer holländisch gesprochen! Und ich habe ihn sehr gut gekannt. Wir haben beide fotografiert, als Hobby. Und ich habe auch seine Dunkelkammer benutzen dürfen. Und Rolf und Pina, Tjitske und ich, Malou und Dominique waren sowieso enger befreundet. Und wir sind auch mal zusammen in den Urlaub gefahren – wir waren bei Malous Eltern, in ihrem großen Haus bei Marseille. Wir haben also auch Urlaub zusammen gemacht, Pastis getrunken! Das war eine enge Angelegenheit – im beruflichen wie im privaten!
Ricardo Viviani:
Rolf hat von Anfang an so geschlossene Räume gemacht und als Kostüme diese Alltags-Klamotten eingeführt! Schon bei Iphigenie gab es diese besonderen Räume – erinnerst du dich daran?
Chapitre 6.2
"We've never done that"
Ed Kortlandt:
Am Anfang hatte Pina verschiedene Bühnenbildner. Eigentlich war Hanna Jordan dafür eingeplant, die in Wuppertal Bühnenbildnerin war und mit Horres und Gästen gearbeitet hat – eine sehr renommierte Bühnen- und Kostümbildnerin. Und sie hat mit Pina auch rege Gespräche geführt – aber irgendwie hat das mit den beiden nicht funktioniert! Und Rolf Borzik hatte eigentlich Grafik studiert an der Essener Folkwang-Hochschule – da haben die beiden sich auch kennengelernt. Und er hat immer einen großen Einfluss auf sie gehabt und irgendwann hat Pina gesagt, er soll sich doch mal mit dem Bühnenbild beschäftigen. Und das war insofern schwierig für ihn, weil man als Bühnenbildner ja nicht nur die Bühnenbilder zeichnen muss und Ideen haben muss, sondern auch zusehen muss, dass die in der Praxis funktionieren! Und dafür ist auch handwerkliches Können sehr wichtig! Und auch, wenn man das im Prinzip kann, gibt es ja auch noch die Theater-Mitarbeiter, die auch ihre eigenen Ideen und Vorstellungen haben – und wenn dann ein Neuling kommt, ist das immer schwierig! Das hat Pina ja auch selbst so erlebt – sie wollte dies und jenes und dann hieß es, ah, das geht nicht, haben wir noch nie gemacht! Solche Sätze haben wir oft gehört! Als Pina Arien machen wollte und die ganze Bühne unter Wasser setzen wollte, hieß es auch: Ah, das geht überhaupt nicht! Iphigenie war dann das erste Stück, was sie mit Rolf zusammen gemacht hat. Und danach Orpheus. Und er hat sich sehr gut eingearbeitet und Pina und er haben sich auch gegenseitig befruchtet! Rolf hat dann die Kostüme gezeichnet und dann gab es natürlich Fachleute in der Kostümabteilung, die das dann auch umsetzen konnten, was die beiden nicht konnten. Das hat gut geklappt.
Chapitre 6.3
The Seven Deadly Sins
Ricardo Viviani:
Er hat auch viel recherchiert. Zum Beispiel bei Todsünden hat er einen Abdruck einer Straße…?
Ed Kortlandt:
Rolf Borzik und Pina waren total detailverliebt und wollten es ganz genau so haben und nicht anders! Und Todsünde ist ein Stück, das in der Gosse spielt! Und er wollte die Gosse auf der Bühne haben! Und der Holz- oder Linoleum-Boden, den man im Theater hat, funktioniert da natürlich nicht! Und er ist dann tatsächlich mit Leuten vom Theater zu einer Straße gegangen – und diesen Boden hat er dann auf die Bühne gelegt! Und wir Männer mussten in der zweiten Hälfte von Todsünden als Frauen in Stöckelschuhen auf diesem Zeug herumtanzen! „Ich erschwere das Tanzen“ – das konnte man wohl laut sagen in dem Stück! Aber das war natürlich echt irgendwie und bei Todsünden, was ja in der Gosse spielt, hat Rolf auch an die Beleuchtung gedacht! Und so wurde die Bühne irgendwann in kaltes Neonlicht getaucht – das gehörte auch zu der Atmosphäre einer Gosse.
Chapitre 6.4
HOW they move and WHY
Ed Kortlandt:
Pina war sehr detailverliebt. Und ich möchte kurz mal korrigieren, was manchmal nicht richtig zitiert wird: Pina Bausch sei nicht daran interessiert, wie die Leute sich bewegen, sondern daran, was sie bewegt! Ich habe das bei Jochen Schmidt zum ersten Mal gelesen damals. Und Anne Linsel hat das später auch mal in ihrem Buch benutzt, man hört das oft. Und es stimmt alles vorne und hinten nicht! Pina war jemand, die zwei Stunden lang an den ersten zehn Minuten von Sacre herumprobieren konnte – und abends nochmal an der gleichen Stelle weiterarbeiten! Wenn man etwas ausdrücken will und man drückt es über Tanz aus, über Bewegungen – natürlich war sie daran interessiert, was die Leute bewegt, ihr ganzes Oeuvre zeigt das – aber wenn man etwas zeigen will, dann muss es präzise sein! Und wenn man etwas über Bewegungen ausdrücken will, interessiert einen schon, wie die Leute sich bewegen! Man könnte also sagen: Sie war interessiert daran, wie die Leute sich bewegen – vor allem aber: Was sie bewegt! Das wäre hier das richtige Zitat!
7. Transfer and reworking
Chapitre 7.1
When the title comes, it is ready
Ricardo Viviani:
Das Tanztheater hat eine lange Tradition, die Stücke weiter einzustudieren. Und die Rollen sind oft geteilt. Und da spielt dann auch die Form eine wichtige Rolle …
Ed Kortlandt:
Manchmal waren die neuen Stücke noch nicht fertig bei der Premiere – dann hießen die Tanzabend I oder Tanzabend II, da gab es noch keinen richtigen Titel. Auch, weil man eben in dem Prozess noch dran war! Und manchmal wurde nach der Premiere noch mal was geändert – aber dann kam wie ein Stempel der Titel oben drauf und dann erst war es fertig und wurde nicht mehr geändert! Und wenn wir jetzt nach Jahrzehnten ein altes Stück wieder aufnehmen, gucken wir uns die alten Bilder an – alle Stücke sind ja gefilmt worden! Und dann gucken wir uns die alten Filme an und das ist dann genauso wie bei einem Gemälde – da ändert man ja auch nichts mehr dran! Man sagt ja nicht, also dieser Rembrandt ist nicht modern genug, da müssen wir was ändern! Und das ist auch bei Pinas Stücken unser Haupt-Anliegen, es genauso wieder zu machen, wie es damals war – wie ein Gemälde, so, fertig! Einmal gab es eine größere Änderung – das war bei dem Stück Nelken, das war eigentlich mit einer Pause geplant. Und da gab es so viele Szenen, das war dann ein bisschen zu lang! Sie hatte Kontakthof auch schon zu lang gefunden, wusste aber nicht, wo man das kürzen konnte. Aber bei Nelken hat sie eine Möglichkeit gefunden und eine Version ohne Pause gemacht – und so wird das Stück bis heute gespielt!
Chapitre 7.2
Focus: Café Müller
Ricardo Viviani:
Café Müller – das war damals eine verrückte Spielzeit, in der sie drei Stücke gemacht hat: Zwei in Wuppertal und eines in Bochum. Und da entstand ein Konzept für Café Müller mit vier Choreographen! Pina plus drei weitere. Gerhard Bohner, Gigi Caciuléanu, Hans Pop – und Pina Bausch. Und die hatten alle ein Konzept – kannst du dich an die Genese, da die gleichen Parameter zu entwickeln, noch erinnern?
Ed Kortlandt:
Es sollte der gleiche Raum sein und Café Müller heißen. Und die haben ganz verschiedene Sachen gemacht - und es war für Pina eine Ausnahme, dass sie nur so etwas Kurzes machte und dann drei andere machen ließ. Das hat sie später auch nicht noch mal gemacht. Und ob das so eine gute Idee war, weiß ich auch nicht. Aber vielleicht brauchte sie auch mal ein bisschen Pause und hat darum was Kleines machen wollen. Der Strawinsky-Abend bestand ursprünglich aus Cantata [Wind von West] und Der zweite Frühling – das war ein Tango von Strawinsky – und Sacre du printemps. Und später wurden die ersten beiden Stücke rausgenommen und dann haben wir nur noch Café Müller und Sacre gespielt und haben das kombiniert. Aber die Stücke von den anderen drei Choreographen, die wurden dann nach der Spielzeit nicht mehr gezeigt.
Chapitre 7.3
The piece 1980
Ricardo Viviani:
1980 starb Rolf und dann entstand das Stück 1980 – hast du noch Erinnerungen an diese Zeit?
Ed Kortlandt:
Rolf war 1979 krank geworden und er hat als letztes Stück Keuschheitslegende umgesetzt als Bühnenbildner. Und nachdem er gestorben war, hat Pina das Stück 1980 entwickelt. Und das ist ein Stück, von dem Pina gesagt hat, das musste ich unbedingt machen – weil ich kann mich nicht in der Trauer einnisten und gar nichts mehr machen! Also hat sie sich gezwungen, das zu machen. Und wenn man das Stück sieht, sind da viele Dinge drin, die mit dem Anfang und dem Ende des Lebens zu tun haben – bestimmte Rituale, die es im Leben gibt: Geburtstage und so. Und es hat gleichzeitig etwas Trauriges an sich, was aber eher versteckt ist. Und es ist abhängig vom jeweiligen Publikum, ob es das überhaupt mitbekommt! Zum Beispiel, als sie 1980 in Los Angeles gezeigt hat – dort sind die Menschen eher gewohnt, unterhalten zu werden. Und in der Szene, wo einer sagt: „I had a little party – just I, myself and me” und dann erzählt sie, „The cake came to me and she ate all the pie and served the tea to me” - also eigentlich eine total einsame Angelegenheit! Jemand, der alleine mit sich Tee trinkt und seinen Geburtstag feiert! Und die Amerikaner haben sich kaputt gelacht - das ist aber lustig! Die haben das nicht verstanden! Und Pinas Stücke sind so vielseitig: Was man sieht, kennt man aus eigener Erfahrung! Manche Dinge sind auch versteckt, die sieht man nicht direkt. Da gab es mal eine Szene in einem Stück – ich weiß nicht mehr, in welchem das war: Marion und Pina saßen zusammen und Marion sagte zu Pina: Aber das kleine Ding da, das sehen die Leute doch gar nicht! Und Pina sagte: Das ist für die Eingeweihten! Und wenn man ein Stück wieder und wieder sieht – abhängig auch von den eigenen Erfahrungen und der eigenen Stimmung -, entdeckt man immer neue Sachen!
Chapitre 7.4
Restaging Café Müller
Ricardo Viviani:
Kurz nach der 1980-Premiere wurde Café Müller wiederaufgenommen und in Nancy gespielt. Dann kam die Südamerika-Tournee: Hast du da bei Café Müller mitgespielt - beziehungsweise überhaupt da mitgespielt?
Ed Kortlandt:
Café Müller wurde ursprünglich gemacht mit Pina selbst, Malou und Dominique, Jan Minarik und Meryl Tankard. Und da war Rolf Borzik, der die Stühle, die überall herumstanden, wegräumte für die Protagonisten, die da Aktion machten! Und als Rolf gestorben war, änderte sich das – da hat Jean Sasportes die Rolle übernohmen. Und Pina, Malou und Meryl…Meryls Rolle hat später Nazareth übernommen. Und irgendwann habe ich Jans Partie übernommen. Aber das kam, glaube ich, dadurch, weil Jan irgendwelche gesundheitlichen Probleme hatte. Ich bin also eigentlich eingesprungen für ihn, habe es dann aber öfter getanzt. Aber Jan hat es dann auch nochmal getanzt, meine ich. Aber ob das in Südamerika war, weiß ich nicht mehr.
8. The world of a dancer
Chapitre 8.1
The world of a dancer
Ricardo Viviani:
In den Stücken vom Tanztheater gibt es immer wieder Referenzen an den Tanz: Mal ein „plié“, mal ein „tendu“, mal eine große „manège“ oder ein „entrechat-six“. Woher kommt das? Stammt das aus der Welt der Tänzer, was sie in die Stücke eben einbringen - oder ist das als Kommentar über das Tanzen gedacht…?
Ed Kortlandt:
Wenn Pina ein Stück machte, wie ich das beschrieben habe – wenn die Leute nach vorne gehen mussten, um etwas zu tun -, dann haben die oft auch etwas gemacht, was die in der Ballettstunde gelernt haben! Und das konnte man auch verfremden oder etwas ganz anderes damit machen. Aber dass das immer mal wieder auftaucht, gehört nun mal zu den Tänzern dazu – da kommt man nicht drum herum!
Chapitre 8.2
What is dancing
Ricardo Viviani:
Bei Dominique wurden diese „entrechat-six” in Nelken mal so interpretiert, dass das ein Kommentar über den Tanz sei, den Pina nicht machte. Aber das hat sich natürlich auf den Zuschauer übertragen…
Ed Kortlandt:
Man muss mal überlegen, was Tanz eigentlich ist! Pina Bausch benutzte manchmal wenig Tanz in ihren Stücken, wie in Walzer, wodurch das Publikum nach Tanz verlangte. In dem Moment machte Beatrice Libonati zufällig Bewegungen mit der Schulter, als ob sie tanzen würde, obwohl sie es nicht wirklich tat.
Chapitre 8.3
Viktor victory
Ed Kortlandt:
Dann haben wir das Stück mit dem Titel Viktor gemacht: Das kann der Name von jemandem sein, es kann auch wie eine Überwindung gemeint sein und „Siegen“ bedeuten oder so etwas – etwas zu tun, das unmöglich ist! Und das war das erste Stück, das wir in Kooperation mit einem anderen Land gemacht haben – in diesem Fall mit Italien. Wir sind nach Rom gefahren und was dabei rausgekommen ist, dass sich das Stück in einem Grab abspielt! In Rom haben wir die Katakomben besucht und so entstand das Makabre in dem Stück. Und wir haben das im Bühnenbild aufgegriffen, das aus einem großen Grab besteht. Und da ist jemand oben, Jan Minarik, der immer mehr Erde reinschaufelt. Der wird sicher Jahre brauchen, um das zu füllen! Und das Stück fängt mit einer Szene an, in der etwas passiert, das eigentlich unmöglich ist. Und das kam daher, dass wir vorher ein Vortanzen hatten in New York. Da kam jemand zum Vortanzen, der keine Arme hatte! Das war ein…(Contergan-Kind)…der hatte keine Arme, war aber ganz bunt gekleidet. Und der machte dann „chassé“ und diese Dinge - alles perfekt mit den Beinen! Und das hat Pina in Viktor aufgegriffen: Da kommt Anne Martin nach vorne im roten Kleid, sehr elegant – und ohne Arme! Schickes Kleid, hohe Schuhe – und lächelt ins Publikum! Steht da total selbstbewusst ohne Arme - und lächelt ins Publikum! Dann kommt Dominique mit einem Pelzmantel und hängt den über sie, da sieht man sie überhaupt nicht mehr und sie geht elegant ab und Dominique geht höflich mit – das war die Szene. Und das war alles inspiriert von dem jungen Mann, der in New York vorgetanzt hatte! Und so geht es weiter in dem Stück: Die Menschen leben nicht mehr in dem Grab – aber sie tanzen!
Chapitre 8.4
Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört
Ricardo Viviani:
Erinnerst du noch Gebirge…?
Ed Kortlandt:
Es gibt ein paar Stücke von Pina, bei denen das Publikum ganz schön gefordert wird, wenn es die sieht. Vor allem in den Anfängen mit der Kompanie war es noch so, dass das hiesige Publikum das Ballett sehr gemocht hat, das wunderschöne Klassische Ballett! Und dann kam Pina und da gab es Agnes de Milles Rodeo und den Grünen Tisch, dann kamen Iphigenie und Orpheus – das waren Stücke…der Dritte Akt von Orpheus ist eigentlich wie klassisches Ballett! Da kannst du dir auch Schwanensee ansehen – und da ist Pinas Orpheus immer noch besser, behaupte ich mal: Das Schönste, was sie zu Musik je gemacht hat! Aber die anderen Stücke von Pina waren ein bisschen heikel – Blaubart und Gebirge zum Beispiel. Und das war dann die Zeit, in der das Publikum große Mühe hatte mit dieser neuen Tanz-Art. Da gab es auch aggressive Ausbrüche im Publikum, die Zuschauer sind teilweise buh-rufend und Türe schlagend aus dem Saal gelaufen! Das war schwierig! Macbeth war auch so ein Übergangsstück, auf das die ganz stark reagiert haben in der Premiere!
Ed Kortlandt:
Und Gebirge war auch so ein Stück: Das fängt total absurd an damit, dass Jan Minarik mit rotem Slip, mit Boxernase - rote Brille und rote Haube auf - praktisch nackt über eine Landschaft aus schwarzer Erde läuft. Die Bühne ist leicht schräg gestellt. Und dann steht da ein Flügel – und das Ganze wirkt sehr surrealistisch, unwirklich! Und da gibt es ein paar wunderbare Szenen drin – zum Beispiel eine Szene mit Lutz und Dominique, in der Lutz ganz verloren wirkt und sich immer an etwas festhalten muss. Und dann steht er da – und wenn er loslässt, um woanders hinzugehen, versucht Dominique ihn zu begleiten und ihm zu helfen. Und man weiß nicht, was das bedeuten soll, aber man muss sich an etwas festhalten, durchatmen – und dann geht es wieder! Aber wenn man dann loslässt, ist man verloren! Und es war ein Stück mit zwanzigminütiger Pause – und Beatrice steht in der Pause die ganze Zeit auf der Bühne, steht da und muss irgendwann richtig weinen! Die Dinge bei Pina sind echt, die spielen das nicht nur! Und das ist alles sehr berührend – auch mit dieser Musik: Die stammt von Heinrich Schütz aus der Zeit des 30jährigen Krieges. Da hat man gleich diese Assoziationen! Der Titel der Musik ist Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört – das ist der 30jährige Krieg! Aber wenn man so ein Stück nach einem arbeitsreichen Tag sieht, nach dem man sich eigentlich entspannen wollte und man hatte ein schönes klassisches Ballett erwartet, wo die Feen alle schön herumspringen und Pirouetten drehen, kann man schon nachvollziehen, dass das ein bisschen schwierig war für manche Leute! Absolut! Das ist so meine Erinnerung an Gebirge, weil es auch eines von Pinas härteren Stücken war, würde ich sagen.
9. Pedagogy
Chapitre 9.1
Back in Rotterdam
Ricardo Viviani:
Aber dann bist du ja eine kleine Weile nach Rotterdam gegangen, weg von der Compagnie: Wie lange ging das?
Ed Kortlandt:
Ich wurde irgendwann von der Musikhochschule in Rotterdam angerufen – die ist für Musik und Theater und zum Theater gehörte auch der Tanz. Und das ist ein Institut, das wurde schon vor dem Krieg von Corrie Hartong gegründet. Nach dem Krieg wurde das ans Konservatorium gekoppelt und daraus ging dann später die Hochschule für Musik und Tanz hervor. Und Corrie Hartong wollte den Tanz bekannt machen in den Niederlanden und hat darum eine Ausbildung angeboten, damit die Leute tanzen, aber auch Tanz unterrichten lernen. Das war die Grundlage dieser Akademie. Und nach ihr kamen andere, die das geleitet haben - unter anderem Lucas Hoving. Der war auch in der Zeit, als ich in der kleinen Kompanie war, Direktor der Tanzakademie. Und zu der Zeit, als ich nach 18 Jahren in Pinas Tanztheater den Anruf bekam, war gerade ein Interims-Direktor eingesetzt worden – jemand, der eigentlich nicht vom Tanz her kam. Darum suchte man jemanden Neues, der aus der Tanzwelt kam. Und die Gründerin, Corrie Hartong, hat meinen Namen erwähnt – und so ist dieser Mann mit seiner Frau nach Wuppertal gekommen, um mich kennen zu lernen. Das war im Winter und er ist erst mal allein gekommen, um mit mir zu reden und dann hat er gesagt, ja, meine Frau ist draußen. In der Kälte?, hab ich gesagt. Hol sie doch rein! Dann habe ich den beiden Spaghetti und Rotwein serviert, dann sind die wieder gefahren und kurz darauf wurde ich nach Rotterdam eingeladen zum Vorstellungsgespräch. Ich musste dann zweimal nach Rotterdam reisen – auch um mit dem Aufsichtsrat und mit Vertretern von der Akademie zu sprechen. Das musste alles geheim bleiben, weil auch andere Leute für den Posten kandidierten. Und dann wurde ich schließlich Direktor der Tanzakademie in Rotterdam - die erste und älteste Ausbildungs-Stätte für angehende Berufstänzer in den Niederlanden! Und damals wollte ich gerne etwas ändern, denn zu der Zeit, in der ich kam, war der Tanz bereits überall bekannt – man musste keinen mehr ausbilden, damit er unterrichten konnte, das war alles auch schon durch die Medien bekannt, es gab bereits mehrere große und kleine Tanzcompagnien. Und ich wollte etwas verändern: Weniger Pädagogik, dafür mehr Tiefgang in der Tanzausbildung. Es gab damals 50 festangestellte Lehrer und 20 Musiker dort und etwa 600 Schüler und Studenten – also ein großes Institut. Und ich hab dann so viel Gegenwind von den Leuten gekriegt, die alles so weitermachen wollten wie bisher - und habe mich letztlich nicht durchsetzen können. Da habe ich gesagt: Dann macht doch, was ihr wollt, tschüss – und dann bin ich wieder weggegangen. Dann hörte Pina, dass ich wieder frei war und in der Zwischenzeit hatte ich überall unterrichtet – auch in Lausanne bei Béjart oder in Bogotá, Paris und Amsterdam – und dann hat Pina mich gefragt, ob ich ihr Assistent werden wollte. Das war im Frühjahr 1994 und ab da war ich für das Training zuständig, musste Proben leiten, Händchen halten – was so alles dazugehört – und ich musste früher als Pina da sein natürlich und später gehen als Pina, was nicht so einfach war, weil sie war die ganze Zeit da! Und wenn ich morgens so um 10.00 Uhr Training gab und sie kam erst um 12.00 Uhr, da war ich schon ein bisschen müde, dann war Probe und mittags dann Besprechung und abends machte sie wieder die Probe. Und so gegen 22.30 Uhr, wenn ich alle aus der Lichtburg rausgeschoben hatte und mit Pina auf ein Taxi wartete und noch ein Witzchen machte – dann war der Tag vorbei. Und dann kam der nächste Tag! Das war für mich natürlich eine ziemlich anstrengende Zeit - aber nicht unbefriedigend!
Ricardo Viviani:
Wie sieht dein Unterricht aus? Machst du mal modern, mal Ballett – wie ist das?
Chapitre 9.2
Preparing the dancers to dance
Ed Kortlandt:
Ich habe eine klassische Ausbildung, basierend auch auf Folklore, ohne Abschluss. Und bei Martha habe ich dann Graham gemacht. Und in Wuppertal habe ich dann die Folkwang-Technik gelernt. Da war Hans Züllig, einer von Pinas Lehrern. Und Hans Züllig machte so eine Mischung - nicht wie Martha, total neu alles, am Boden, sondern im Stehen, an der Stange, wie beim klassischen Ballett, mit ähnlichen Übungen auch, aber viel mit dem Oberkörper und den Armen. Viel flexibler als das klassische Ballett, das eigentlich vom Körper her ziemlich steif ist. Und wir waren in Paris – da hatte ich schon meinen Vertrag für Rotterdam -, da waren wir zu einem Gastspiel in Paris. Und Hans Züllig hat da das Morgentraining gegeben, nachmittags bin ich mit ihm anderswohin gefahren, wo er auch Training gab. Und dann habe ich alles in Schnellschrift notiert, was er machte und sagte. Danach habe ich das alles in meinem Hotelzimmer ausgearbeitet, dass ich das alles richtig lesen konnte und abends habe ich dann noch meine Vorstellungen getanzt. Und das intensiv, zwei Wochen lang. Nach den zwei Wochen war ich mit Hans Züllig ein paar Stunden im Kuppel, im Theatre la Ville – da habe ich ihm zur Sicherheit alles nochmal vorgeführt, was ich aufgeschrieben hatte, seine Bewegungen und Bemerkungen usw. Und das hat er dann abgesegnet. Und das war die Basis meines Trainings! Im Laufe der Zeit sind dann Übungen dazugekommen, die ich mir selbst ausgedacht hatte und Elemente aus Pinas Stücken, die ich dann auch benutzt habe. Aber an der Stange mache ich am Anfang eine Mischung aus Klassisch, Modern: Eine Übung ist klassisch, die nächste modern. Und in der Mitte mache ich nur moderne Technik, die man dann natürlich auch doppelt benutzen kann. Und mein Training ist fokussiert aufs Tanzen – aanders als bei Hans Züllig oder Jean Cébron, den Leuten deren Unterricht ich mal beobachtet habe. Da gab es eigentlich keinen, der das so gemacht hat wie ich. Ich finde, man muss zum Tanzen kommen! Wenn ich das im Kopf vorbereite, dann habe ich eine bestimmte Kombination, die ich am Ende machen will – und die Vorbereitung dazu fängt schon an der Stange an! Da mache ich Übungen, die später in die End-Übung einfließen, die ich mache. Und in der Mitte mache ich eine kleine Phase mit dieser und jener Übung und, was wunder, am Ende sind alle Übungen Elemente in der End-Übung enthalten! Die Tänzer haben also das Gefühl, dass die schon alles können – und sind frei, um zu tanzen und gehen befriedigt weg und kommen am nächsten Tag wieder! So habe ich das gemacht!
10. Waving goodbye
Chapitre 10.1
New York inspirations
Ricardo Viviani:
Pina hat in ihrer Zeit in New York, als sie Studentin war, verschiedene Freundschaften geschlossen – mit Personen, die für sie sehr wichtig waren. Und später ist ihre Compagnie immer wieder in New York aufgetreten, bis zu die Kooperation für „Nur Du“. Arien und die Wasserknappheit – kannst du dich an die erste Vorstellung erinnern, 1984 in New York?
Ed Kortlandt:
Als wir in New York Arien gespielt haben, hatten wir das Problem, dass das Wasser nicht warm genug war. Das war immer das Problem in Arien - weil das Wasser steht nur etwa 4 Zentimeter hoch in dem Bassin, wo später ein Nilpferd reingeht. Und diese 4 Zentimeter Wasser am Anfang, die müssen ganz heiß sein, damit es nach einer halben oder ganzen Stunde immer noch einigermaßen warm ist! In New York war es aber schon am Anfang zu kalt! Und wir – auch Pina – haben gesagt: Das geht so nicht. Und dann haben die an der Heizung rumgefummelt, bestimmt eineinhalb Stunden oder so. Und Andy Warhol war in der Vorstellung, saß da in der ersten Reihe, hat brav gewartet – während viele andere rumgelaufen sind und sich unterhalten haben. Aber er hat da gesessen und gewartet. Und der Direktor des Theaters hat selber noch Hand angelegt im Keller, um an den Leitungen was zu ändern, damit das Wasser heißer wurde. Und das dauerte eben seine Zeit. Und er hatte seinen Smoking für die Premiere an - und hat da rumhantiert! Und das hat Urs Kaufmann dann aufgenommen in einer Szene in Viktor! In dem Stück gibt es eine Szene, wo man die Bühne sieht – vom Publikum aus links -, da hat er so eine elektrische Säge aufgestellt und eine Holzplatte. Und dann hat er - ganz fein in schwarz gekleidet, mit feinen Manieren - die Platte durchgesägt! Die Kombination aus dem Handwerklichen und diesem feinen Outfit geht auf den Direktor des New Yorker Theaters zurück – Harvey Lichtenstein.
Chapitre 10.2
Arien and the hippo
Ed Kortlandt:
Und wo wir gerade über Arien sprechen: Bei der Premiere, da gab es dieses Nilpferd. Und das war wie bei den Krokodilen – da mussten die Leute rückwärts reinkriechen. Und der hintere Mann ist dann in die hinteren Beine, der Vordere in die vorderen Beine gestiegen. Und dann waren die in diesem Ding und konnten sich hinsetzen, aufstehen und gehen. Das war aber ein ganz schön schweres Ding! Und die Idee war, dass das Nilpferd so im Wasser rumstapft und auch mal tief ins Becken reingeht, um zu baden! Und am Anfang kam man da dann nicht mehr raus! Und durch die Wärme wurde das Material schlaff. Und wenn man sich vorstellt, die beiden Leute darin und der hintere Teil wird immer schlaffer und die können nicht mehr aus dem Wasser raus… Und noch bei der Premiere hat Hans Pop an dem Tier ziehen müssen, um es überhaupt aus dem Wasser raus zu bekommen! Aber das war erst später – weil zur Zeit der Uraufführung war das Nilpferd ja noch nicht fertig. Das heißt also, unser Tänzer Hans-Dieter Knebel, der ein hervorragender Interpret ist, der hat dann die Rolle vom Nilpferd übernommen. Und geplant war, dass sich das Nilpferd ganz langsam bewegt und da steht mit der Protagonistin – Jo Ann Endicott. Das Nilpferd ist ihr Liebhaber quasi und sie spielt mit ihm und die gehen dann mal da hin und auch mal ins Wasser und wieder raus – und ich hab gedacht, wir hatten nie ein besseres Nilpferd! Der hat das so vorzüglich gemacht - die Ausstrahlung von dem Mann ist wirklich unglaublich! Aber bei dem Nilpferd gab es halt diese Schwierigkeit mit der Wärme, dem schlaff werden und dem nicht aus dem Wasser raus können. Und das ist heute immer noch so bei den Vorstellungen: Ich hab die Leute als Assistent auch angewiesen, mit dem Walkie-Talkie – „jetzt etwas nach rechts, jetzt geradeaus, Halt! Hinsetzen!“, buff (macht vor). Und wenn ich sagte „Aufstehen! Und jetzt vorne links!“…das war total lustig! Und solange das Walkie-Talkie funktionierte, klappte das auch – aber als das mal ausfiel…ah je! Oi!!
Chapitre 10.3
Pina Bausch dancing
Ricardo Viviani:
Dann lass uns noch über die beiden Stücken sprechen, in denen Pina selbst tanzt. Wie erinnerst du ihre Art zu tanzen oder die Hintergründe zu Café Müller und Danzón?
Ed Kortlandt:
Zu Café Müller hat Pina mir mal etwas sehr Interessantes erzählt: Sie macht ja ihre Augen zu, wenn sie da so herumgeht und gegen die Wand läuft. Und da hat sie erzählt, irgendwann stimmte da mal was nicht, sie konnte sich aber nicht erklären, was das war. Und dann hat sie schließlich herausgefunden, dass es einen Unterschied macht beim Gehen, ob man mit geschlossenen Augen nach unten guckt oder geradeaus. Und weil sie mal mit geschlossenen Augen nach unten geschaut hat statt nach vorne, stimmte da was nicht für sie. Daran erkennt man, wie viel von solchen klitzekleinen Kleinigkeiten abhängt! Und in Danzón, wo sie auch mittanzt – ich weiß nicht, ob das was zu bedeuten hatte -, aber da geht sie am Ende ab und winkt so zum Publikum. Das war fast schon wie ein Abschied!
11. What is Tanztheater
Chapitre 11.1
Tanztheater in your life
Ricardo Viviani:
Was ist Tanztheater? Wie wichtig ist das in deinem Leben – oder für die Welt?
Ed Kortlandt:
Nach inzwischen 50 Jahren Tanztheater ist das natürlich ein sehr großer Teil meines Lebens geworden – und ist es noch! Gleichzeitig ist es aber auch schon fast zuende für mich. Ich bin ein Pina Bausch-Gewächs – und was darauf folgte, war mehr was für die nächste Generation. Das ist deren Leben gewesen! Und ich gehöre inzwischen der Vergangenheit an, bin mittlerweile der Dinosaurier in der Compagnie – und das ist auch in Ordnung so. Ich mache mir keine großen Gedanken darüber, wie es weitergeht. Das liegt jetzt in anderen Händen!
Ich muss allerdings sagen, dass, wenn du dir die Arbeit von Pina ansiehst, dass das schon viel mit Integration zu tun hat: Mit vielen Nationalitäten, vielen Möglichkeiten im Leben, vielen Kulturen! Und das ist das Gegenteil von Abschiebungen! Und das ist wichtig in diesen Zeiten, mal darauf hinzuweisen – denn es gibt ja viele Menschen, die glauben, durch Abschiebungen könnten sie sich retten, aber das ist nicht der Fall! Die Arbeit von Pina besteht darin, das Menschliche hervorzuheben – und dabei ist Integration total wichtig! Ich finde bei Pina viele Kulturen, die sich manifestieren in ihrer Arbeit und sowieso viele Nationalitäten in ihrer Compagnie – und das ist das Gegenteil von Abschottung, was man leider heutzutage in verschiedenen Nationalitäten sieht! !
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