Interview mit Josephine Ann Endicott, 7.6.2023 (2/2)
In diesem Interview erzählt Jo Ann Endicott von ihren Erfahrungen mit dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch. Hierbei geht es insbesondere um die Entstehung und Aufführung der Stücke Renate wandert aus und Kontakthof.
Pina Bauschs kreativer Prozess, der viel mit Experimentieren und dem Arbeiten mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Talenten der Tänzerinnen und Tänzern zu tun hat, wird dabei betont.
Jo Ann Endicott spricht auch darüber, wie sie bei Kontakthof mit Senioren und Teenagern involviert war und welche Herausforderungen und schönen Momente sie dabei erlebt hat. Außerdem geht das Interview es um ihre Zusammenarbeit mit Bénédicte Billiet, und wie sie Kontakthof mit dem Ensemble des Pariser Opernballetts auf die Bühne gebracht haben.
Interview in englischer Originalsprache mit deutschen Untertiteln
Interviewte Person | Josephine Ann Endicott |
Interviewer:in | Ricardo Viviani |
Kamera | Sala Seddiki |
Permalink:
https://archives.pinabausch.org/id/20230607_83_0001
Inhaltsübersicht
Kapitel 1.1
Renate wandert ausRicardo Viviani:
In den ersten Spielzeiten gab es Stücke wie Das Frühlingsopfer, Die sieben Todsünden, "Blaubart" und Komm tanz mit mir, die sich auf sehr breite Weise mit etwas sehr Dunklem in der menschlichen Natur befassen. Aber dann kommen wir zur nächsten Spielzeit mit Renate wandert aus. Was ein anderes Gefühl hervorruft. Kannst du uns etwas darüber sagen?
Josephine Ann Endicott:
Es war für mich wie ein frischer Wind, ein Stück wie Renate wandert aus zu machen. Ich musste nicht mehr schreien, weinen oder lachen. Ich konnte einfach dieses junge Teenager-Mädchen sein, das Geschichten aus Comics erfindet. Es hatte einen Hauch von Hollywood. Pina Bausch hatte mir einige Foto-Romanzen für Teenager gegeben. Und sie sagte: „Lies die einfach“ — weißt du, da sind Bilder und eine Blase mit Text drin — „und mach ein paar kleine Geschichten daraus, Jo.“ Sie gab mir auch ein paar sehr alte Fotos mit Posen: unschuldig, naiv. Und ich studierte diese Fotos und stellte sicher, dass ich genau die gleichen Hände habe, den gleichen Look. Es brachte eine andere Seite von mir in dieses Stück ein: diese junge Seite. Eines Tages brachte Rolf Borzik einen Kleiderständer in die Lichtburg. Es gab ein Kleid mit Puffärmeln, tailliert und mit kurzem Rock, bei dem ich dachte: „Oh, ich liebe dieses Kleid. Ich muss es anziehen.“ Es war rosa und hatte einen Petticoat darunter, und dann habe ich mir eine Schleife um die Haare gebunden. Und ich wusste einfach, dass ich Renate heiße, und der Mann, in den ich verliebt bin, wird Dick heißen. Weil es für mich lustig war, jemanden Dick zu nennen. In Deutschland ist es kein bekannter Name, Dick bedeutet auf Englisch „Schwanz“. Also habe ich mir diese Geschichten ausgedacht, und Pina mochten meine Geschichten und baute daraus etwas Kleines zusammen. Ich habe einen kleinen Spaziergang erfunden. Ich habe mein kleines Haus gebaut, zwei Rosen abgeholt, daraus wurde ein Telefon, durch das ich mit Dick gesprochen habe. Wir hatten wundervolle Musik und es war einfach eine andere Seite von Pina Bausch. Es gibt eine Szene, in der alle Männer als Engel verkleidet waren. Eine andere Sache, die ich sehr gut kann, ist Rülpsen. Darf ich jetzt rülpsen? [Natürlich!] Damals gingen wir nach den Proben ziemlich oft mit Pina aus. Nicht alle, nur die Groupies, und ich war bei den Groupies. Und wir haben weiter über die Stücke, die Arbeit oder das weitere Vorgehen gesprochen. Eines Abends sagte ich zu Pina: „Oh, weißt du Pina, mir ist zum Rülpsen zumute. Ich will dir zeigen, wie ich rülpsen kann.“ Sie sagte: „Oh, vielleicht könntest du die Federn der Engel essen, Jo.“ Also brachte sie für die Szene eine Schachtel Federn mit, und ich würde, wie die Figur „Angela“, die Federn aufheben und so tun, als würde ich sie essen. — Ich rülpse jetzt (rülpst laut). Es tut mir leid (lacht). Sie hat es so geliebt. Sie sagte: „In dem Stück musst du für mich rülpsen“ — es war klar — „Nur zwei lange Rülpser, dreimal wird zu viel sein, Jo.“ Da waren so viele lustige Dinge drin. Es gab ein Teil, in der der Schauspieler Erich Leukert ein Schild mit der Aufschrift „Toilette“ hatte, auf das ein Pfeil zeigte. Wir würden hereinkommen und so aussehen (zeigt) mit diesem dummen Schritt (zeigt). Wir würden dem Schild folgen, das zur Toilette führt, dann würde ich aus der Schlange heraustreten und tun, als müsste ich auf die Toilette gehen (zeigt). Ich durfte viele Gesichter ziehen. Aber was zuviel ist, ist zuviel, und zum Glück hatte ich immer Pinas Augen. Ich konnte durch ihr Pokerface spüren, wann es zu viel werden würde — das reicht. Also, dann würde ich abtreten und zurückkommen (sagt das Wort „Toilette“). Wir hatten doch einiges mehr an Spaß in dem Stück.
Josephine Ann Endicott:
Das Bühnenbild war großartig, das waren Berge aus Eis. Es waren riesige Berge aus weißem Styropor. Sie waren wie Eisberge, Schnee. Wie viele gab es? Ich weiß nicht. Was ist noch passiert? Es war verrückt. Marion Cito ging zum Publikum und sagte: „Bonbons, Bonbons! Wer will Bonbons?“ Viele Farben, Bänder und Schleifen und schönes Make-up. Nichts von dieser schrecklichen, schmerzhaften Seite des Lebens, hier konnte man es einfach genießen.
Ricardo Viviani:
Die Titel der Stücke haben in der Regel einen Untertitel, und der Untertitel dieses Stückes lautet „eine Operette von Pina Bausch“.
Josephine Ann Endicott:
Operette, oh ja. Es gab Dinge wie dieses Lied „Some Enchanted Evening“. Am Anfang, da ist dieser große Moment, da denkst du vielleicht, John Wayne wird auf die Bühne kommen oder Elvis Presley. Es hatte ein Operettengefühl.
Kapitel 1.3
WiederaufnahmeRicardo Viviani:
Renate wandert aus wurde schon lange nicht mehr neu einstudiert.
Josephine Ann Endicott:
Nun, darüber wurde gesprochen, nachdem Pina gestorben war. Dominique Mercy übernahm die Kompanieleitung zusammen mit Robert Sturm, und sie wollten es wieder aufnehmen. Dominique rief mich an, aber ich stellte fest, dass die Probenzeit nicht lang genug war, um es gut zu machen. Das habe ich zu Dominique gesagt, und ohne mich, glaube ich, sagte er, werden wir es nicht machen. Ich fühlte mich schon ein bisschen schlecht, ein bisschen schuldig, dass sie das nicht machen konnten, weil ich nein gesagt habe. Ich weiß, dass Pina es wieder aufnehmen wollte, und sie wollte es ein bisschen verkürzen.
Ricardo Viviani:
Der Anfang, „Some Enchanted Evening“, zieht sich lang.
Josephine Ann Endicott:
Es nimmt kein Ende. Aber wir haben uns an all die langen Szenen mit Pina gewöhnt. Es lohnt sich vielleicht, sich ein Video noch einmal anzusehen und zu überlegen, ob es jetzt für die Kompanie oder für ein andere Kompanie geeignet ist. Du brauchst die Charaktere, du brauchst die Figuren. Du brauchst diesen unschuldigen Typ von Menschen.
Josephine Ann Endicott:
Das Rülpsen tut mir leid (lacht). Pina Bausch verwendete alles, was man tun konnte. Alles ist in die Arbeit eingeflossen. Wenn du Steppen oder Klavier oder Saxofon spielen konntest, das alles floss in ihre Stücke ein. Das Einzige, was sie vermied, waren religiöse oder politische Themen.
Josephine Ann Endicott:
Haben wir in dieser Spielzeit nur Renate wandert aus gemacht?
Ricardo Viviani:
Tatsächlich waren es drei Stücke.
Josephine Ann Endicott:
Was haben wir noch gemacht?
Ricardo Viviani:
"Macbeth" — das hat einen langen Titel ...
Josephine Ann Endicott:
Er nimmt sie bei der Hand und führt sie ins Schloss, die anderen folgen
Ricardo Viviani:
Das ist eine Regieanweisung im Text von Macbeth. Das wurde nicht in Wuppertal gemacht.
Josephine Ann Endicott:
Wir haben es in Bochum geprobt. Die Premiere war in Bochum.
Kapitel 2.2
ArbeitsprozessJosephine Ann Endicott:
Ich denke, Raimund Hoghe war eine große Hilfe für Pina Bausch. Auch wenn er nur da war, zuhörte und sagte, was er dachte — er war ungefähr zehn Jahre dort. Es war immer jemand für Pina da. Entweder war es Rolf Borzik – wenn sie zusammen waren, sprachen sie immer über die Arbeit. Peter Pabst war auch immer da, sie haben sich ausgetauscht bis tief in die Nacht und diskutiert, auch über Bühnenbilder. Es war immer sehr schön und wichtig für Pina, zu wissen, dass sie jemanden da hatte. So oft war auch Raimund Hoghe da oder in der Anfangszeit Hans Pop.
Josephine Ann Endicott:
Wir waren in einem Fabrikgebäude in Bochum. Es war sehr, sehr kalt dort. Wir waren nicht viele: Mechthild Grossmann — die Schauspielerin, Vitus Zeplichal — ein Schauspieler aus Bochum, Rudolph Lauterburg, Soňa Červená — eine Opernsängerin, und vom Tanztheater waren ich, Vivienne Newport, Dominique Mercy und natürlich Jan Minařík dabei. Tjitske Broesma war am Anfang da, aber dann ist sie nicht mehr gekommen. Wir hatten jemanden als Auszubildenden für die Requisiten, Hans Dieter Knebel. Er hat uns meistens Kaffee gebracht, überprüfte, ob es warm genug war, und vergewisserte sich, dass alles, was wir brauchten, da war. Wann immer jemand sich nicht wohl fühlte oder abwesend war, sprang er ein und nahm seinen Platz ein. Irgendwie hat sich Pina Bausch so daran gewöhnt, dass er da war. Er war vorher Bäcker, dann hat er die Requisiten gemacht, und sie hat sich so an seine Anwesenheit gewöhnt, dass sie eine Rolle für ihn kreierte – eine sehr wichtige Rolle in "Macbeth". Er war ein sehr angenehmer Typ in der Arbeit. "Macbeth" war ein langer Prozess, er ging sehr langsam voran. Wir haben viel improvisiert. Als wir fertig waren, wurde diese Shakespeare Gesellschaft zur Premiere eingeladen — The Shakespeare Association. Also kamen sie alle in ihren Anzügen und Krawatten zur Premiere und dachten, sie würden Macbeth mit viel Text und einer Geschichte sehen, aber das war es nicht. Der Titel des Stücks lautete Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen, und es lehnt sich nur lose an Macbeth an. Am Anfang des Stückes liegen wir einfach auf den Sofas. Die Bühne ist wie ein Casino, heruntergekommen, eine kaputte Dusche, hinten war ein altes Bett und so etwas wie ein Beichtstuhl. Alles war halb kaputt. Es gibt eine Szene, in der wir in die Möbel springen. Wenn man von hinten in sie hineinsprang — was eine tolle Sache war —, wusste man nicht, ob ein Bein abbrechen würde oder ob alles einfach auseinanderfallen würde. Wie dem auch sei, diese Leute waren da. Am Anfang sind wir also am schlafen, und nach vielleicht einer halben Stunde fangen sie an zu buhen und zu gehen und rufen „geht nach Hause“. Ich war vorne am Rand und lag einfach auf dem Boden. Es war wirklich ein Aufruhr, es explodierte und es war unmöglich, weiterzumachen. Und ich dachte: „Mechthild, warum stehst du nicht auf und sagst ihnen, sie sollen damit aufhören? Jemand muss etwas tun.“ Weil ich vorne am Rand war, war es vielleicht noch lauter dort. Damals war mein Deutsch noch schlechter als heute. Jedenfalls bin ich aufgestanden und habe gesagt: „Wenn es euch nicht gefällt, geht nach Hause und schaut fern, es ist unmöglich für uns, weiterzumachen.“ Und ich verließ die Bühne, aber als ich von der Bühne war, dachte ich: „Oh mein Gott, was hast du getan, Jo? Pina wird das nicht gefallen.“ Also trabte ich zurück auf die Bühne und legte mich hin – in beinahe völliger Stille. Manche Leute klatschten, manche fingen trotzdem an zu buhen. Danach konnte das Stück auf friedliche Weise weitergehen. Mein Herz schlug Bum Bum Bum Bum, es raste. Ich konnte es kaum ertragen. Ich war also sehr mutig gewesen. Vielleicht kamen solche Dinge aus meiner Zeit in Australien, als ich mit Nureyev gearbeitet habe und ich diese Sache gesehen habe, als er von der Bühne ging, von der ich dir erzählt habe. Vielleicht habe ich unbewusst solche Dinge gelernt, ich weiß es nicht. Oder ich bin einfach diese spontane Person, und für mich hieß es entweder: Ihr geht nach Hause, oder ich gehe weg und ich komme nicht zurück! Jedenfalls musste etwas passieren. Ja.
Kapitel 2.3
Neueinstudierung (2019)Josephine Ann Endicott:
Vor drei Jahren haben wir "Macbeth" neu inszeniert. Hans Dieter kam ins Team, wir hatten eine komplett neue Besetzung, auch für Mechthild Grossman. Ich dachte: „Oh mein Gott, ohne Mechthild werde ich das nie casten können.“ Aber Mechthild hatte das Gefühl, dafür zu alt zu sein, und sie wollte nicht dabei sein. Also haben wir diese Schauspielerin gecastet, Johanna Wokalek, die in Deutschland ziemlich bekannt ist, aber sie ist nicht wie Mechthild. Also mussten wir das Risiko eingehen, die Wurzel dessen zu suchen, was in Mechthilds Persönlichkeit in dieser Rolle lag, was sie so besonders machte, und es auf eine andere Art und Weise zu machen. Also musste ich mit Johanna sehr ruhig und geduldig sein. Aber wir haben wirklich gute Arbeit geleistet. Ich denke, es war wirklich eine gute Aufführungsserie. Es war natürlich anders, es war der Macbeth für heute, aber er sagte dasselbe: Er war trotzdem sehr authentisch. Julie Shanahan spielte die Rolle der Sängerin Soňa Červená. Stephanie Troyak und Breanna O'Mara teilten meinen Teil. Jonathan Fredrickson spielte die Rolle von Dominique Mercy. Oleg Stepanov spielte die Rolle von Hans Dieter Knebel. Wir hatten viel Arbeit, aber sie haben es verstanden. Sie wollten es tun. Es war eine sehr schöne Erfahrung, und das Publikum hat es geliebt. Es gab keine Anzeichen von Herumbuhen mehr. Diese Stücke sind so von Grund auf stark.
Ricardo Viviani:
Diese Stücke zeigen auch eine Entwicklung im künstlerischen Vorgehen von Pina Bausch.
Josephine Ann Endicott:
Ja, es war ein anderer Weg für Pina. Es war das erste Mal, dass wir diese kleine Gruppe von Leuten hatten, mit Schauspielern, diesem einen Sänger und nur wenigen Tänzern. Ich glaube, wir waren ungefähr drei Monate in Bochum. Im Regen, im Schnee hin und her fahrend — Vivienne Newport und ich.
Kapitel 3.1
Tanzen und singenRicardo Viviani:
Ich würde gern noch ein wenig beim Arbeitsprozess bleiben. Von heute aus betrachtet, nachdem du auch mit Schauspielerinnen und Sängern gearbeitet hast — es braucht eine andere Sprache, um ihnen die Dinge begreiflich zu machen. Im Rückblick und auch im Hinblick darauf, wie Pina Bausch damit umgegangen ist: Kannst Du uns etwas über diesen Prozess erzählen und wie Rolf Borzik Ideen oder Objekte eingebracht hat? Wie war dieser Arbeitsprozess?
Josephine Ann Endicott:
Es war immer Teamwork. Die Partnerschaft zwischen Pina Bausch und Rolf Borzik — sie sprachen immer über die Arbeit — half ihr dabei, die Dinge zu regeln. Er war auch voller Ideen, aber es gab nie Schnellschüsse: Man bespricht alles bis ins kleinste Detail. Du probierst alles tausend Mal aus, bis du wirklich findest, wonach sie sucht. Du probierst deinen Beitrag zu einer Frage zuerst alleine aus, dann probierst du sie mit einem Partner, du probierst sie in einer Gruppe, du probierst sie schneller, du probierst sie in Zeitlupe. Man muss den Glauben behalten, dass wir es am Ende finden werden: durch Geduld, durch Ausprobieren und gegenseitiges Vertrauen. Es gab immer schwierige Momente. Zu keinem Stück gab es Abkürzungen. Für keines der Stücke gibt es ein Rezept. Entweder du willst ein Teil davon sein oder du tust es nicht — und du gehst. Ich fand jeden Prozess immer faszinierend, weil Pina Bausch für mich so faszinierend war. Oft wurde dir nichts gesagt. Du hast es einfach immer wieder versucht. Wir haben weitergemacht und jedes Mal, wenn du rauskamst, hast du etwas anderes gelernt. Du hast dieses Mal gesehen, wie Sänger arbeiten. Du hast gesehen, wie Schauspieler und Schauspielerinnen arbeiten. Du hast gelernt, mit ihnen zu sprechen, und das war gut für später. Denn wenn man mit einer berühmten Schauspielerin zusammenarbeitet oder nach New York geschickt wird, um mit Barbara Sukowa oder Meret Beker oder Melissa Madden Gray oder Ute Lemper zu arbeiten, muss man wissen, wie man diesen Leuten Korrekturen kommuniziert. Weißt du, es ist wie: Kannst du Ute Lemper korrigieren? Wenn du musst, musst du. Es ist etwas, das ich in all den 50 Jahren lernen musste. Aber ich glaube, Pina wusste auch, dass ich das kann. Sie sagte immer: „Oh Jo, kannst du nach New York gehen und mit BAM arbeiten?“ „Warum ich, Pina? Warum gehst du nicht?“ Sie hatte immer irgendwie ein bisschen Angst vor diesen Leuten. Als wir den anderen Blaubart in Avignon gemacht haben, war Pierre Boulez der Dirigent. Sie hatte das Gefühl: „Oh, ich arbeite jetzt mit Pierre Boulez zusammen!“ Es war ein großer Stress für sie: Werden sie in der Lage sein, mit ihrer Arbeitsweise umzugehen — mit so langsamen Entscheidungen für dieses oder jenes, dass sie das ausprobieren muss. In diesem Blaubarts Schloss hatte sie viel Stress, aber auch, weil sie schon einmal einen genialen "Blaubart" gemacht hatte.
Kapitel 3.2
Herzog Blaubarts Burg (1998)Josephine Ann Endicott:
1998 wurde Pina vom Festival in Avignon, Aix-en-Provence, gebeten, ein weiteres Blaubarts Schloss zu spielen, aber mit Live-Orchester, nicht in der Tonbandversion, mit zwei sehr bekannten Sängern, die die Rolle von Blaubart und die Rolle von Judith singen würden. Man spürte schon Pinas Instinkt, dass sie dagegen war. Instinktiv wusste sie, dass sie "Blaubart" bereits auf eine sehr gute Art gemacht hatte, obwohl es sehr brutal war, niemand kann sagen, dass es kein geniales Werk ist. Aber noch einen machen zu müssen, nachdem du schon einen guten gemacht hast, wie kannst du dich dann von deinem alten "Blaubart" befreien? Sie hat dann nicht viele Tänzer mitgenommen. Sie nahm Jan Minařík mit, der damals den Blaubart spielte. Ich hatte Marlis Alt seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gesehen. Sie bat Marlis, für diesen Anlass zu kommen. Sie hatte mich, sie hatte Andrey Berezin, Raphaëlle Delaunay, Julie Shanahan, Rainer Behr. Ich glaube, das war es. Mariko Aoyama assistierte ihr. Also, weil sie diese Leute hatte, hatte sie die stärksten Tänzer, von denen sie dachte, dass sie sie brauchte. Wir haben es sowieso in den Ferien gemacht. Trotzdem wusstest du von Anfang an, dass sie etwas bedrückt. Etwas störte sie extrem. Sie fühlte sich während des ganzen Prozesses nicht gut. Und die Fragen... Wir haben hier herumgespielt und dort herumgespielt. Manchmal holte sie einige der alten Dinge hervor, die wir in "Blaubart" gemacht haben. Der gesamte Prozess war sehr, sehr schwierig. Als wir zu den Generalproben kamen, hatte Peter Pabst wunderschöne Kostüme gemacht. Ich mochte meine Kostüme. Mir gefiel die Bühne, die er geschaffen hatte. Am nächsten Tag tauschte sie die Spiegel im Bühnenbild aus. Alle Kleider wurden weggenommen. Sie war einfach nicht glücklich mit dieser Kreation. Sie versteckte sich oft in Ecken und man spürte, wie sie nachdachte. Sie brauchte Hilfe, aber du wusstest nicht, wie du ihr helfen solltest. Denn wenn sie in dieser Situation ist, kannst du ihr nicht helfen. Wir sind für sie da, immer! Sie muss uns nur fragen. Aber sie steckte fest, wirklich festgefahren. Bei den Proben sagte sie Dinge wie: „Ich habe euch alle im Stich gelassen. Ich bin nicht da, wo ich sein wollte.“ Ich weiß nicht, was ich in mein Buch geschrieben habe, ich fand es wichtig, diese Dinge aufzuschreiben. Denn wenn man dann die Chronologie sieht, konnte man spüren, was passiert ist und was ihr wichtig ist. Sie konnte es nicht verstehen, sie konnte es einfach nicht verstehen. Seitdem wird fast nie erwähnt, dass wir das überhaupt gemacht haben. In keiner der Geschichten über Pina Bausch steht geschrieben, dass wir dieses andere Blaubarts Schloss gemacht haben. Wir haben es nie wieder aufgeführt. Wir haben es nur etwa vier oder fünf Mal gespielt. Ich denke, es hatte etwas, aber es war wirklich kein glücklicher Prozess.
Ricardo Viviani:
Mechthild Grossmann hatte bereits in (Macbeth sic) Die sieben Todsünden mit der Kompanie als Sängerin gearbeitet. Aber dann kamen Vitus Zeplichal und Hans Dieter Knebel fest in der Kompanie
Kapitel 3.3
Tanzen und schauspielenJosephine Ann Endicott:
Ja, nach "Macbeth" wurde ihm ein Vertrag mit Pina Bausch angeboten. Das Lustige war eigentlich, dass er mit Meryl Tankard die Rolle des "Blaubart" getanzt hat. Ich weiß nicht, ob es Videos davon gibt, vielleicht gibt es welche. Es ist so unglaublich, oder? Er war in Stücken wie Kontakthof, in Keuschheitslegende (Legend of Chastity), in Arien zu sehen.
Josephine Ann Endicott:
Hans Dieter Knebel blieb mehrere Jahre bei uns, aber dann ging er nach Wien und wurde am Burgtheater aufgenommen, eines der berühmtesten Theater der Welt. Er arbeitet immer noch dort, er ist sogar älter als ich. Er ist als Schauspieler so beliebt. Er ist so ein netter Mensch. Ich mochte ihn wirklich, wirklich sehr.
Kapitel 3.4
Neue ImpulseRicardo Viviani:
Wie wurden diese Akteure bewegungsmäßig in die Arbeit integriert, die dann entstehen sollte? Hat das etwas an der Dynamik der Kompanie als Gruppe und als kreatives Umfeld verändert?
Josephine Ann Endicott:
Ja, das würde ich sagen. Also, für mich ist es sehr interessant zu beobachten, wie sich Menschen bewegen. Ich meine, wie lautet das Sprichwort? „Es geht nicht darum, wie man sich bewegt, es geht darum, was Menschen bewegt.“ Mechthild Grossmann war die einzige offizielle Schauspielerin, die einen offiziellen Vertrag mit uns hatte. Sie war viele, viele Jahre bei uns, entweder Vollzeit oder als Gast. Mechthild konnte sich bewegen — sie war sogar in "Blaubart" dabei. Aber es ist immer interessant zu sehen, wie sich jemand bewegt, der kein Tänzer ist. Diese Art, sich nicht perfekt zu bewegen, ist für mich sehr interessant. In Hans Dieter Knebels kleinem Tanz in "Macbeth" macht er nur ganz kleine Schritte (singt und tanzt). Wenn man versucht, einem Tänzer das genau so beizubringen — dann merkst du, dass die Art und Weise, wie Hans es gemacht hat, so einzigartig war, dass ein Tänzer es nicht könnte: Weil das ganze Wesen von Hans darin steckte. Das war auch für Pina Bausch so interessant. Es war sehr faszinierend, Hans Dieter diese Rolle spielen zu sehen. Weil Mechthild eine so starke Persönlichkeit war und Hans Dieter auch auf seine Art, waren das alles Farben, die die Kompanie prägten. Es ist wie ein großer Topf. Pina brauchte diese Art von Personen und all diese Farben, um diese Stücke zu machen. Solange du menschlich bleibst – was die grundlegende Voraussetzung war – ist es das Wichtigste, du selbst zu bleiben. Menschlich zu bleiben in allem, was du tust. Auch wenn es sich um eine Tanzrolle handelt, es geht immer darum, was du gibst und sagst. Zeige all diese Dinge, die in dir existieren, in deiner Person, all die Dinge, die du über das Leben weißt, deine Geschichte. Dann konnte Pina es verfeinern und auf so wundervolle Weise zu etwas sehr Künstlerischem formen. In gewisser Weise hast du nicht einmal selbst realisiert, was sie getan hat. Als wir 1973 zum ersten Mal zusammenkamen, waren das sehr verschiedene Menschen aus allen Teilen der Welt mit sehr starken Persönlichkeiten und unterschiedlichen Farben. Ich weiß nicht, ob es an der Globalisierung liegt, aber ich glaube, später verlieren viele Menschen ihre Einzigartigkeit. Wir brauchen Gesichter, wir brauchen Augen, wir brauchen Ohren, wir brauchen jede Art von Aufmerksamkeit. Wir brauchen Arme, wir brauchen Beine, wir brauchen Füße, wir brauchen Leute, die das tragen können, was Pina Bausch wollte, dass wir es tragen. Manchmal wussten wir nicht, was wir mit uns trugen. Und jetzt tragen wir sie zu ihrem nächsten großen Schritt.
Kapitel 4.1
KontakthofRicardo Viviani:
In dieser Spielzeit [1977/78] kam es zu einem Intendantenwechsel im Theater. Die Lichtburg war da als Proberaum, möglicherweise für Renate wandert aus und sicher für Café Müller. Aber viele Leute sind gegangen. Dominique Mercy, Marlis Alt, Tjitske Broersma und einige andere Leute kamen neu in die Kompanie. Wir haben also eine neue Konstellation, was bedeutet, dass viele Leute Rollen lernen mussten, besonders für den Strawinsky-Abend. Dann gab es ein neues Stück Kontakthof. Kehren wir also zur Entstehung von Kontakthof zurück.
Josephine Ann Endicott:
Kontakthof ist ein weiteres wunderbares Stück von Pina Bausch, sehr gut strukturiert und mit all dieser schönen Musik aus den Zwanzigern, Dreißigern oder sind es die vierziger Jahre? Diese unvergesslichen Musikstücke wie Frühling und Sonnenschein. Es ist ein langes Stück. Es gibt viele Wiederholungen, aber die Wiederholungen scheinen wichtig zu sein, weil sie immer etwas thematisiert, was wichtig ist, um es irgendwie wieder zu zeigen. Ich liebe die Kostüme, ich liebe das Bühnenbild. Die Kostüme waren sehr enge Kleider, und das war das erste Mal für mich, dass ich schöne hohe Schuhe und schöne enge Kleider trug. Ich habe mich in diesem Kleid wohl gefühlt. Ich liebe sie alle. Jede der Frauen hatte ein anderes farbiges, enges Kleid, das wirklich köstlich war. Wenn du so runtergehst (zeigt), spürtest du fast, wie der Reißverschluss oder die Naht aufgeht. Vielleicht auch, weil beim Schwitzen das Material — Satin — am Körper haften bleibt. Ja, aber trotzdem ist es toll, diese Kleider zu tragen. Es passieren viele Dinge. Es gibt lustige Dinge. Da ist dieses Paar, die Rosa Mädchen, wir kommen und machen diesen identischen kleinen Tanz mit kleinen Bewegungen. Die erste Person, mit der ich das gemacht habe, war Meryl Tankard. Meryl kam auch aus Australien. Weißt du, die Arbeit mit Pina Bausch war so einfach diesmal, wir waren mit diesen Rosa Mädchen vielleicht in drei Stunden fertig, wirklich schnell. Was sehr ungewöhnlich ist, aber es war, weil wir alle so viel Spaß hatten. Es gibt Läster-Szenen, in denen du dich hinsetzt und einfach über die Leute lästerst, über die anderen Tänzer auf der Bühne. Wenn du aus Australien kommst, dann bist du irgendwie mit dem Lästern aufgewachsen. Meryl und ich hatten also das Gefühl, wir könnten stundenlang lästern, und zwar jeden Abend ohne speziellen Text — jeden Abend lassen wir uns was einfallen. Wir hatten viel Spaß zusammen, aber es gibt andere Szenen, die einfach so berührend sind. Es ist einfach unerträglich, das anzusehen.
Da ist dieser Hüftschritt — so dämlich (zeigt). Ich suchte mir einen Tänzer aus und sagte: „Zeig mir den Hüftschritt.“ — Ich hatte viele Seiten in diesem Stück: der Vamp, der spricht, singt, weint, lacht. — „Nein, zeig es mir! Es sind nur, du weißt schon, große, dicke, saftige Kreise. Tu es. Nein, das stimmt so nicht. Zieh deine Jacke hoch. Dreh dich um. Mach es nach vorne. Du machst es nicht richtig. Mach es nochmal. Mach einen Schritt. Schau mich an! Ich zeige es dir noch einmal. Große, dicke, saftige Kreise. Tu es jetzt. Oh, du wirst es nie verstehen.“ Dann gehe ich zurück in die Gruppe und sage „Musik!“ Und dann macht die Gruppe diesen Hüftschritt zu „da da da da da da da da da“ (singt Charlie Chaplins Titine). So ein großartiger Schritt zu dieser Musik. Ich kann mir keinen anderen Schritt vorstellen, der so fantastisch zu dieser Musik passt (singt Charlie Chaplins Titine) „Bum, Bum, Bum, Bum, Bum, Bum, Bum“. Was willst du machen? So toll! Dann stellen wir uns hin, und machen das nach vorne, und es ist ziemlich anstrengend. Aber trotzdem, wenn du sehen würdest, wie Pina dir diesen Hüftschritt zeigt, war sie tatsächlich die Einzige, die das wirklich so gut konnte. Es ist nicht einfach und die meisten Menschen können es nicht. Pina hatte für ihren Körper eigentlich ziemlich große Hüften, sie war immer dünn, dünn. Du musst unten sein und plié und ihre Hüften waren einfach [sehr breit]. Dann gibt es diesen Kreis, in dem wir einfach mit alltäglichen Gesten herumlaufen, was nichts Besonderes ist, weißt du, es sind nur diese (zeigt). Das war das erste Mal, dass wir so kleine Dinge machten, dieser Kreis kommt dreimal im Stück vor. Die Männer folgen einem Mädchen, und dann machen alle mit: Mann, Frau, Mann, Frau. Und jedes Mal, wenn du dich dem Publikum zuwendest, lächelst du es nett an, meistens ohne Zähne. Pina Bausch hatte etwas gegen Lächeln mit Zähnen. Alle lächeln also meistens, ohne ihre Zähne zu zeigen, aber auf eine sehr charmante Art und Weise. Auch nicht einfach, nicht einfach. Aber wenn du es von innen heraus tust und das Licht aus deinen Augen strahlt, ist es für das Publikum wirklich schön anzusehen. Dann, am Ende, gibt es diese Szene, in der Meryl nach vorne kommt und dasteht, und sie ist so allein, und ein Mann kommt und berührt sie sanft an der Schulter. Der nächste kommt von der anderen Seite, er nimmt ihren Arm und streichelt ihn. Dann kommt ein anderer Mann und er macht etwas anderes, und ein anderer Mann kommt und ein anderer Mann. Aus diesen Zärtlichkeiten wird langsam etwas Abscheuliches, so etwas wie bei lebendigem Leib gefressen zu werden. Es wird zu einem Betatschen und sie muss dastehen und es ertragen. Am Ende kann sie es kaum aushalten und es laufen Tränen. Dann beginnt die Kreismusik und alle Männer folgen der anderen Dame. Bei einer Aufführung saß ich da und sah zu, und während dieser Szene schrie jemand aus dem Publikum: „Lass sie in Ruhe.“ Das kann ich wirklich verstehen, denn es wird unerträglich zuzusehen, wie diese Frau auf der Bühne von diesen Männern angefasst, missbraucht wird. Trotzdem ist die Musik wunderschön, die Bühne ist wunderschön, die Kostüme sind wunderschön. Es ist eine weitere Zusammenarbeit zwischen Rolf Borzik und Pina Bausch. Ich glaube, mit der Pause dauert es zweieinhalb Stunden.
Josephine Ann Endicott:
Das war ein ziemlich wichtiges Stück für Pina, weil wir wieder mit Fragen und Antworten angefangen haben. „Zärtlichkeiten“ war eine Frage, die als Leitlinie das Stück durchzieht: „Sechs Gesten der Zärtlichkeit“. Du hast dir deine eigenen Gesten ausgedacht. Anne Martin führte den Kreis an, sie hat ihr Gesicht gestreichelt. Wir hatten die Augen geschlossen (zeigt) und „Plop“ — einfach Dinge, die man zu Hause macht. Dann runter, irgendwas hier und hier (zeigt). Du musstest es mit Fingerspitzengefühl machen. Der Mann bringt dich ganz förmlich nach vorne, dann, um es authentisch zu machen, musst du ganz auf die selbst konzentrieren, dich alleine fühlen, dann beginnst du deine Bewegung. Du kannst nicht einfach deine Augen schließen und so etwas (zeigt) machen, weil es nach nichts aussieht. Aber wenn du in dich hineingehst, an den Moment denkst, an die Frage, und du tust das mit dem Gefühl, dann passiert etwas in deinem Gesicht und in der Art, wie du stehst, das es so berührend macht. Oder du machst so etwas (zeigt), das ist so eine schöne Bewegung, aber nur, wenn du sie mit dem richtigen Gefühl machst.
Ricardo Viviani:
Es gab die Idee, dieses Stück mit einer Gruppe von Senioren über 65 neu einzustudieren. Erinnerst du dich an den Impuls dazu? Kam er von Pina Bausch, oder kam das von jemand anderem, und dann kamst du an Bord? Kannst du uns etwas über diesen Prozess erzählen?
Josephine Ann Endicott:
Ja, die Initiative kam definitiv von Pina Bausch. Ich glaube, es war ein Wunsch, den sie seit einigen Jahren in sich hatte. Die Proben begannen im Oktober 1999. Beatrice Libonati war die Probenleiterin und Ed Kortlandt war auch da. Ungefähr im Dezember rief Pina mich an und fragte, ob ich kommen könnte und helfen, die Solorollen von mir und Meryl Tankard einzustudieren. Ich dachte mir: „Oh mein Gott! Worauf lasse ich mich ein?“ Ich hatte ein bisschen über die Schwierigkeiten gehört, mit älteren Laien zu arbeiten. Aber Jo konnte niemals „Nein“ zu Pina sagen. Also ist Jo gegangen. Wir haben am Anfang vier Damen für diese beiden Hauptteile ausgewählt. Sie sollten älter oder mindestens 65 Jahre alt sein. Eine von ihnen hatte über ihr Alter gelogen, sie war vielleicht erst 61 oder so. Nichtsdestotrotz war es gut, sie zu haben, denn sie war ein bisschen schneller, musikalischer, und fit im Kopf. Ich sage nicht, dass die anderen nicht gut im Kopf waren. Es ging ihnen allen gut. Also, wie bringt man jemandem bei, die Füße in diese Richtung zu stellen (zeigt), die Arme schön hier hin, die Finger da. Geh in plié und mach das (zeigt) nach außen, dreh den Kopf hierher und hab die Augen da. Für einen Profi ist es wirklich einfach. Dann macht ihr zwei Schritte und einen kleinen Sprung, noch zwei Schritte und einen kleinen Sprung, und mit dem letzten springt ihr zusammen. Wie bringst du ihnen das bei? (zeigt) Schulter hoch hier, hier, hier, und komm runter. Es ist alles mühsam, man geht von Tag zu Tag. Eines Tages sagte ich zu diesen vier Tänzerinnen: „Lasst uns das von gestern nochmal machen.“ „Nein, aber das haben wir gestern nie gemacht, Jo.“ „Doch, das haben wir. Ihr habt vergessen, dass wir es gemacht haben.“ In Ordnung. Alles hat Zeit gekostet. Alles war langsam, aber ich habe diese Leute lieben gelernt. Ich habe die Unvollkommenheit wirklich genossen, Tanzbewegungen nicht perfekt zu machen. Wenn mir klar war, dass sie bis an ihre Grenzen gingen, war es ganz in Ordnung, weil es ihr bester Versuch war. Es war ein weiterer Lernprozess für mich. Ich erinnere mich an die Gruppensachen, die sie lange mit Beatrice geübt haben. Da sind so viele Schritten drin. Ich weiß nicht, wie lange wir gebraucht haben, um es ihnen beizubringen. Dabei habe ich verschiedene Geschichten aus ihrem Leben erfahren. Ich wohnte bei jemandem von ihnen, später bei jemand anderem. Einige von ihnen waren lustig, andere waren nicht so lustig. Ich habe von ihnen viel über das Leben gelernt, während sie von mir Dinge über Tanz und über Pina Bausch gelernt haben. Es war immer ein Austauschprozess. Als einer von ihnen krank wurde, war ich diejenige, die einsprang. Eines Abends ließ sich einer der Männer von dem Teil Boogie an der Wand, wie er genannt wird, wirklich mitreißen. Plötzlich fielen ihm seine falschen Zähne raus. Ich war zufällig auf der Bühne und dachte: „Oh mein Gott, seine Zähne sind auf dem Boden.“ Er hob sie einfach auf, drehte sich um und steckte sie wieder hinein. Sie wurden wirklich professionelle Senioren-Tänzer. Wir sind viel damit getourt, dieser SeniorenKontakthof war sehr angesagt. Du musstest auch lernen, mit diesen Leuten zu reden. Man musste lernen, mit ihren Unfähigkeiten, ihren Fähigkeiten umzugehen. Einige von ihnen hatten Hörgeräte. Das musstest du wissen, wenn sie fragten „Was hast du gesagt?“ Viele von ihnen waren einfach unbedacht: Man soll am Anfang in einer Reihe sitzen, und da ist diese schöne Musik. Einige von ihnen fingen an, mit dem Fuß zu tappen. Sie haben es nicht einmal bemerkt. Dann sagst du: „Oh, hör auf mit deinem Fuß zu tappen, Reiner.“ „Oh ja, das mache ich.“ Die saßen da und packten sich an die Nase oder kratzten am Kopf, sie mussten all diese Dinge lernen. Sie haben so viel gelernt. Wir haben das 12 Jahre lang gemacht! Von Zeit zu Zeit mussten wir ein paar neue Senioren einstellen, weil einige von ihnen krank geworden oder weggezogen waren. Es war also ein weiterer mühsamer Prozess, neue Senioren zu unterrichten, wieder ganz langsam. Wenn sie mit 65 oder 70 angefangen haben, sind sie nach 12 Jahren jetzt 82 oder 83 Jahre alt. Es war an dem Punkt angelangt, an dem wir bald aufhören sollten. Du hast es immer hier und da geflickt. Der Tag kam, an dem wir ihnen sagen mussten: „Nun, danke, aber es ist an der Zeit, es zu beenden.“ Oh, das war, als würde man etwas ganz Besonderes wegnehmen. Das war wirklich schwer. Nach einer Weile übernahm Bénédicte Billiet die Leitung und Beatrice verließ das Projekt.
Kapitel 4.4
Ein perfektes TeamRicardo Viviani:
In einem Interview sagte Bénédicte Billiet: „Das Team ist so wichtig. Jo Ann und ich sind ein perfektes Team.“ Was macht für dich ein perfektes Team aus?
Josephine Ann Endicott:
Es ist ein Vergnügen, mit Bénédicte Billiet zu arbeiten. Wir passen sehr gut zusammen, weil wir beide sehr engagiert sind. Es macht uns nichts aus, 14 Stunden am Tag zu arbeiten. Wenn ich etwas brauche, kann ich es Bénédicte sagen — manchmal muss ich nichts sagen, sie weiß es bereits — und dann treffen wir uns. Zum Beispiel, mit den Senioren oder dem Kontakthof mit Teenagern, da mussten wir alle Rollen lernen. Wir kannten es schon, aber manche Dinge muss man noch besser wissen, als irgendjemand jemals wissen wird. Also trafen wir uns im Büro, und da oben, bevor wir überhaupt mit unserer Probe begannen, sagte ich: „Bénédicte, ich bin heute der Mann, du bist die Frau. Ich werde jetzt lernen, was die Männer machen.“ Weil es einige der Zärtlichkeiten gibt, die der Mann an der Frau macht, musste ich das wissen. Und sie musste die Frauenpartien kennen. Wir wollten einen guten Job machen, wir waren beide Perfektionisten. Sie ist sehr gut darin, alles rund um die Bühne zu überprüfen: ob die Stühle in Ordnung sind, ob alle Requisiten platziert sind. Und ich bin vielleicht eher für die künstlerische Seite da, aber zusammen sind wir ein perfektes Team. Ich arbeite gerne mit ihr zusammen. Wir verstehen uns sehr gut. Es geht immer um Teamwork. Man muss sich aufeinander verlassen können. Und wir beide haben etwas an uns, wir sind uns in vielen Aspekten sehr ähnlich. Was war deine Frage?
Ricardo Viviani:
In der anderen Frage ging es darum, mehr über die Stücke zu erfahren...
Josephine Ann Endicott:
Es gibt immer etwas zu lernen, weil so viel da drinsteckt. Trotzdem, das 12 Jahre lang zu tanzen, bis du das Stück schon fast nicht mehr ausstehen konntest, danach brauchst du eine Pause. Du hast so viele Jahre neben Pina gesessen, hast ihre Kommentare gehört und gelernt, ihr Pokerface zu deuten, ohne dass sie etwas gesagt hat. Du lernst aus der Art und Weise, wie sie schaut, was das Stück braucht und wie du dorthin kommst. Man lernt, den Tänzerinnen und Tänzern Zeit zu geben, Vertrauen aufzubauen, sodass du von ihnen verlangen kannst, weiterzugehen und mehr von sich selbst hineinzugeben, wenn du noch nicht genau da bist, wo du hin willst. Du lernst all diese Dinge von Pina, nach so vielen Jahre mit ihr. Aber in allen Stücken ist es ein Fass ohne Boden. Es gibt so viele neue Dinge, die man jedes Mal lernt, wenn man sich ein Stück wieder ansieht. Dennoch gibt es einige Rollen, die nur den ursprünglichen Tänzern gehören, und einige Dinge, die einfach nicht wiederholbar sind. Man ist dann gezwungen, das Beste daraus zu machen. Jan Minařík ist einer der Leute, die schwer zu ersetzen sind. Nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit mit Jan, weißt du, wo du hinkommen musst, aber all seine Qualitäten in einem anderen Darsteller zu finden... Andrey Berezin hat viele Rollen von Jan übernommen. Er war in diesem Moment die perfekte Person in der Kompanie, er hat diesen seltsamen Buster-Keaton-, Charlie-Chaplin-Sinn für Humor. Trotzdem, manche Leute sind sehr schwer zu ersetzen.
Kapitel 4.5
Kontakthof. Mit Teenagern ab „14“ (2007)Ricardo Viviani:
Wir haben bereits die Produktion mit Teenagern erwähnt. Kannst du uns etwas über die Prozesse von Kontakthof. Mit Teenagern über 14 erzählen?
Josephine Ann Endicott:
Das war 2007, als ich von Pina Bausch gefragt wurde, und ich wieder einen Vollzeitvertrag abschloss. Sie sagte: „Eines der Dinge, für die ich dich engagieren möchte, Jo, ist Archivierung und dieses Projekt mit Teenagern. Ich möchte wirklich, dass du mir diesen Gefallen tust, Jo.“ Und es lag mir auf der Zunge zu sagen: „Nein Pina, nein, bitte mich nicht, noch einen Kontakthof zu machen.“ Aber wenn sie dich um etwas bat, hatte sie diese Art, dich um den Finger zu wickeln, mit dieser schmeichelnden Stimme, so dass du einfach nicht „Nein“ sagen konntest. 2007 geriet sie bereits in diese müde Erschöpfung. Ich habe sie sehr erschöpft erlebt, sie hatte diese müde Art von süßer, schmeichelnder Stimme und diesen Blick — man konnte einfach nicht „Nein“ sagen. Aber ich weiß, wie Kinder in der Pubertät sind, weil ich selbst drei Kinder habe. Es war eine schreckliche Zeit, nicht mit allen meinen drei Kindern, aber mit meiner Tochter, es war wirklich schwierig. Ich wusste, dass ich mich in ein neues tiefes Wasser begeben würde. Aber für Pina, ich weiß nicht, ich habe direkt „Ja“ gesagt. So, und dann fängst du irgendwo an. Dieses Projekt war wieder gemeinsam mit Bénédicte Billiet, somit hatte ich das Gefühl, ein solides Team zu bilden. Am Anfang besuchten wir fünf verschiedene Schulen und machten in jeder Schule einen Workshop. Einige der Kinder kamen nur, weil sie aus der nächsten Unterrichtsstunde raus wollten. Es war Wahnsinn. Wir haben sofort angekündigt: „Die Proben finden jeden Samstag statt. Das ist euer freier Tag, aber die Interessierten kommen bitte am Samstag zur Feuerwehr hier in Wuppertal-Barmen.“ Viele Kinder sind nicht gekommen, trotzdem waren eine Menge da, und nach einigen Workshops haben wir auf 40 oder 50 Teenager reduziert. Die erste Übung — wo man ihre Fähigkeiten sehr gut sehen kann — war, den Anfang des Stücks zu machen: Steh auf, komm nach vorne und zeig dich mir von vorne, von hinten, wie du mit deinen Haaren aussiehst (zeigt), wie deine Zähne aussehen, wie deine Hände aussehen, wie du von der Seite aussiehst und wie deine Füße aussehen. Das haben wir sie ein paar Mal wiederholen lassen. Es war ziemlich offensichtlich, wer unpassend war und wer interessant sein könnte. Dieser Aussortierungsprozess war nicht einfach, aber es war in Ordnung. Dann fingen wir an. Wir hatten alle Arten von Schulkindern: vom Gymnasium, von niedrigerem Niveau, von sehr niedrigem Niveau. Wir hatten einige Roma, Muslime, die meisten waren Deutsche, einige aus reichen Familien, einige aus armen Familien. Ich beobachtete, wie die Jungs sich schick machten: Gel im Haar und Deo. Die Mädchen waren auch interessiert, sich gut zu präsentieren. Das jüngste Mädchen war 12 Jahre alt, das älteste etwa 17. Wenn du zwölf bist und die Aufführung ein Jahr später geplant ist, kann mit deinem Körper viel passieren, bis du dreizehn bist. Die Kostüme konnten wir erst ziemlich spät nähen, denn im nächsten Jahr werden sie Brüste haben, sie werden vielleicht so oder so aussehen (zeigt). Dann mussten wir die Solisten finden und die Rollen zuteilen. Die Proben wurden zum Treffpunkt. Es hat wirklich Spaß gemacht. Die ersten paar Monate waren wie Arbeit (gelangweilt): „Oh, wir treffen uns diesen Samstag in der Lichtburg“, aber nach ein paar Monaten wurde daraus ein aufgeregtes: „Oh, wir haben heute Probe in der Lichtburg. Wir treffen uns mit Bénédicte und Jo. Lasst uns viel Spaß haben.“ Es wurde ein echter Treffpunkt. Wir haben alle zusammengefunden, und es wurde für sie wie eine Sucht. Es half ihnen sehr, durch ihre Pubertät zukommen und erwachsen zu werden. Es hat vielen von ihnen bei ihren Problemen geholfen. Es gibt einige Szenen, in denen die Jungs die Mädchen berühren mussten. Eines der Mädchen kam und sagte: „Ich möchte nicht mit diesem Mann zusammen sein. Ich kann ihn nicht ausstehen. Er stinkt. Nein, ich will nicht, dass er mich anfasst, Jo.“ Es waren viele Dinge im Gange, von denen sie nichts wissen mussten, aber es gab eine Menge Tränen. Während der Zeit formierten sich heimlich einige Paare. Als sich alle aneinander gewöhnt hatten, wurden sie zu einer sehr starken Gruppe. Wir hatten viele verschiedene Persönlichkeiten: lustige, einige von ihnen waren so lustig. Am Ende hatten Bénédicte und ich 28 weitere Kinder, neben unseren eigenen. Sie schickten Mails und es war schön, eine so große Familie zu haben. Die Vorstellungen waren auch sehr erfolgreich, und wir sind auf Tour gegangen. Diese Tourneen waren noch eine andere Geschichte. Wir hatten Lehrer der verschiedenen Schulen dabei, die sich in den Hotels um sie gekümmert haben. Einige von ihnen waren 17, andere 13, andere 14. Nach dem Auftritt hatten einige von ihnen ein bisschen Alkohol in ihre Zimmer geschmuggelt. Einige von ihnen haben in ihren Zimmern gefeiert, bis wer weiß wie spät in der Nacht. Man konnte es nicht kontrollieren. Ich wollte auch nicht: Entweder du musstest mit ihnen feiern oder du musstest wie eine Polizistin vor ihren Türen stehen. Am nächsten Morgen kamen sie zu den Korrekturen sehr müde (zeigt), und du wusstest, dass sie getrunken hatten oder nicht geschlafen. „Wah, Jo? Oh. Ekt, Jo?“. Es ist eine andere Sprache, die man mit ihnen sprechen musste, nicht wie mit den Senioren. Ich kenne die Sprache der Teenager, weil meine eigenen Kinder so sprechen. Ich wusste auch, wie man mit ihnen spricht, und Bénédicte hat auch Kinder. Aber sie waren auch großartig. Wir wurden mit den Teenagern und mit den Senioren zur Berlinale eingeladen. Wir wurden für den Olivier Award nominiert. Es gab einen schönen Film von Anne Linsel „Tanzträume“ über die Teenager. Es gibt auch einen weiteren Film über die Senioren und von... [L'Arche], auch sehr schön.
Ricardo Viviani:
Als die Seniorentour zu Ende ging, gab es eine Spielzeit mit allen drei Kontakthof: Senioren, Teenager und Tanztheater Wuppertal.
Josephine Ann Endicott:
Ja, das stimmt. Mein Leben hat sich rund um Kontakthof gedreht. Weil Pina Bausch jede Aufführung gesehen hat, waren wir auch verpflichtet, uns jede Vorstellung anzusehen. Wir hatten Proben, wir schauten die Aufführungen Tag für Tag für Tag an. Es ist ein langes Stück, die Themen in dem Stück, die Musik, sie machen einen manchmal glücklich, aber wenn man müde ist, können sie auch dafür sorgen, dass man sich sehr, sehr einsam fühlt nach solchen langen Tagen. Manchmal hatten wir Aufführungen mit den Teenagern und den Senioren an einem Tag. So war es einmal in England oder in Frankreich. Beides zu machen, ist so anstrengend. An manchen Abenden ging ich nach Hause und fühlte mich so einsam. Ich gehe einfach alleine nach Hause. Ich habe den ganzen Kontakthof gemacht und wer ist jetzt da, um zärtlich zu mir zu sein? Pina Bausch ist nicht mehr da. Es fing an, mir an die Substanz zu gehen. Nach diesen 14 Jahren Kontakthof hatte ich es satt. Ich wollte eine Weile nichts damit zu tun haben. Ich musste darüber hinwegkommen. Dann, 2018, haben wir einen neuen Kontakthof mit einer ganz neuen Besetzung für das Tanztheater Wuppertal gemacht. Diesmal mit Julie Shanahan, Franko Schmidt und mir als Team. Danach wurden wir aufgefordert, es mit Tänzern der Pariser Oper zu machen. Das war eine wirklich schöne Erfahrung, denn in der Pariser Oper arbeiten 156 Tänzer, in alle Stufen der Tänzerhierarchie. Aber bevor wir Kontakthof gemacht haben, hatte Alan Lucien Øyen ein Stück für sie gemacht. Lucien hatte auch hier gearbeitet, und seine Arbeit ist der von Pina Bausch zwar nicht ähnlich, aber er arbeitet mit einer ausgesuchten Gruppe zusammen. Er sucht auch nach einem ganz speziellen Typ von Personen für seine Werke. Ich habe sein Stück auch gesehen, und seine Tänzer haben auch gesprochen. Sie waren nicht nur Tänzer, ich konnte die Personen hinter dem Tanz spüren. In Paris haben wir drei Tage lang einen Workshop mit etwa 90 Tänzern gemacht. Es war schrecklich, so viele Tänzer in zu kurzer Zeit zu sortieren. Wir mussten uns für die Besetzung entscheiden, also haben wir ungefähr 40 genommen, aber wir konnten noch nicht sagen, wer welche Rolle spielt. Ich hatte von mehreren Seiten gehört: „Oh, wie kannst du Kontakthof in der Pariser Oper machen, Jo? Sie sind Balletttänzer. Sie werden niemals in der Lage sein, dieses Stück zu machen, Jo.“ Aber du hast es mit Senioren gemacht, du hast es mit Teenagern gemacht, du hast es mit neuen Tänzern gemacht, warum solltest du es nicht mit ihnen machen können? Ich war überzeugt davon, dass wir es schaffen könnten. Endlich hatten wir unsere Besetzung: eine nette Gruppe von Leuten, Tänzern, und es war sehr harmonisch. Es war ein wirklich schöner Prozess. Im Team waren diesmal Breanna O'Mara, Julie Shanahan. Ich hatte Anne Martin gebeten, für zwei Wochen mitzukommen. Ich war fast drei Monate dort. Julie Shanahan war ungefähr vier Wochen dort, Breanna vielleicht sechs Wochen, Anne Martin war zwei Wochen dort. Anne Martin ist eine originale Kontakthof-Tänzerin. Sie war nie bei einer der Einstudierungen dabei, und ich dachte: „Oh, vielleicht ist es eine gute Idee, sie kommen zu lassen.“ Und es war wirklich toll, ihre Erinnerungen an das Stück waren sehr hilfreich. Sie war am Anfang dabei, was sehr schön für mich war, diese alte Kollegin dabei zu haben, die Teil der originalen Produktion war. Es war mir eine große Hilfe. Sie ist auch sehr engagiert, und wenn ich weitermache, überlege ich, sie wieder in die Teams aufzunehmen. Alle Abteilungen der Pariser Oper waren sehr kooperativ. Die Kostüme waren wunderschön. Die neu gefertigten Masken waren wunderschön, auch das Schaukelpferd. Dieses weiße Schaukelpferd ist sehr präsent im Stück. Da drin steckt eine Batterie, die es schaukeln lässt, sobald das Mädchen auf das Pferd steigt. Es ist irgendwie musikalisch. Wir bekamen das Pferd erst ziemlich spät. Es sah aus wie das Originalpferd, aber es hat zu schnell geschaukelt. Wir mussten den Mann bitten, es entweder langsamer laufen zu lassen oder uns eine neue Batterie zu bestellen. Aber um eine neue Batterie zu bekommen, war es ziemlich spät. Die Premiere war in ein paar Tagen, sie kam nicht an. Endlich gelang es ihm, es zu verlangsamen, aber indem wir es verlangsamten, hatten wir nicht diesen Lärm. Das Pferd macht ein bisschen Lärm wie ein Bach, und ich habe den Lärm vermisst. Wenn wir es jemals wieder machen, wird er es bestimmt reparieren. Die Tänzer waren sehr nett. Wir hatten nur einen Etoile: Germain Louvet. Er sagte: „Ich will keinen Schwanensee mehr machen, keine Giselle, ich will im Kontakthof sein.“ Er hatte einige Probleme mit der Leitung, ich glaube, es war Aurélie Dupont zu der Zeit. Aber er sagte: „Nein, ich möchte ein Werk von Pina Bausch machen.“ Er hat eine große Entwicklung durchgemacht. Am Anfang lief er wie ein Prinz, aber er war zugänglich, ein wirklich netter Mensch. Er verstand, als ich sagte: „Beruhige dich einfach, sei du selbst. Es ist jetzt deine Chance, mir Schichten aus deinem Inneren zu zeigen.“ Ich hatte zwei Casts für meine und Meryls – oder Nazareth Panaderos – Rollen gehabt, beide waren sehr unterschiedlich, aber beide gut und richtig. Ich war wirklich stolz. Die Pariser Oper hatte jeden Abend ein volles Haus. Im Dezember hatten wir über Weihnachten gespielt, mit fast 22 Aufführungen, nur der 1. Januar wurde abgesagt. Fast niemand wurde verletzt, denn wenn man etwas gerne macht, verletzt man sich nicht. So ist das, wenn ihnen gefällt, was sie tun. Sie waren wirklich nett. Sie haben sich in sich selbst verwandelt, und ich habe mich sehr darüber gefreut. Sie waren auch sehr dankbar, einige von ihnen schickten mir Dankesbriefe. Es ist immer schön, diese Briefe zu bekommen, weil ich spüre, dass es sich lohnt. Ja, ich liebe Briefe. Mails auch, aber ich Briefe habe ich lieber.
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