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Interviewte Person
Interviewee
Josephine Ann Endicott

Interview, Transkription und Übersetzung
Interview, Transcription and Translation
Ricardo Viviani

Kamera
Camera
Sala Seddiki

Schnitt
Video editor
Vivien Mohamed

Lektorat
Proof reading
Anne-Kathrin Reif

© Pina Bausch Foundation

Interview mit Josephine Ann Endicott, 6.6.2023 (1/2)

Dieses Interview ist der erste Teil einer zweiteiligen Serie mit Jo Ann Endicott, einer Künstlerin, die seit der ersten Spielzeit 1973/74 mit Pina Bauschs Werk verbunden ist. Es handelt von ihrer ersten Begegnungen mit dem begabten Tänzer Rudolf Nureyev, bis hin zu ihren neuesten Einstudierungen von Pina Bauschs Stücken. Während des Interviews steht sie oft auf und zeigt Bewegungen, was ihren Erzählungen unterstreicht. In diesem ersten Interview tauchen wir in die Stücke ein, die bis zum Ende der Saison 1976/77 entstanden sind, und erkunden die Rollen, die sie in Stücken wie Die sieben Todsünden und Komm tanz mit mir aus Pina Bauschs großem Repertoire geschaffen hat.

Interviewte PersonJosephine Ann Endicott
Interviewer:inRicardo Viviani
KameraSala Seddiki

Permalink:
https://archives.pinabausch.org/id/20230606_83_0001


Inhaltsübersicht

1

Kapitel 1.1

Anthony Tudor
0:19

Ricardo Viviani:

Normalerweise frage ich zuerst danach, wie die Menschen zum Tanz gekommen sind, was sie studiert haben, aber darüber hast Du ausführlich geschrieben. Es gibt eine Passage in Deinem Buch, in der Du all diese Stücke aufzählst, vom Schwanensee bis zum Feuervogel und so weiter. Eines davon ist Pillar Of Fire mit Anthony Tudor. Erinnerst Du Dich daran?

Josephine Ann Endicott:

Oh, ich erinnere mich sehr lebhaft an seine Person, mit seiner Glatze hatte er ein sehr markantes Gesicht. Er war ziemlich groß. Ich war damals im Corps de Ballet, aber ich war sehr interessiert an seiner Arbeitsweise, und er muss mich irgendwie auch gemocht haben, denn nach einer Premiere schenkte er mir eine Flasche Parfüm. Vielleicht habe ich bei den Proben gerochen (lacht). Niemand sonst bekam ein Geschenk. Es war eine schöne, teure Flasche Parfüm. Das war etwas ganz Besonderes für mich. Das Stück Pillar Of Fire hat mich dazu motiviert, mehr Stücke mit Leuten zu machen, die so arbeiten wie er, anstatt nur im Corps de Ballet von Schwanensee zu sein. Obwohl ich es liebte, Schwanensee, Giselle und die Balanchine-Stücke zu tanzen. Ich habe immer von jedem gelernt, der damals nach Australien kam.

Ricardo Viviani:

Ich frage das, weil, wie wir wissen, Pina Bausch auch mit ihm gearbeitet hat, bei ihm Unterricht genommen hat, und vielleicht gibt es da eine Art Verbindung.

Kapitel 1.2

Rudolf Nurejew
2:49

Josephine Ann Endicott:

Vielleicht gab es eine Art Verbindung. Aber in der Australian Ballet Company war die wichtigste Person für mich wahrscheinlich Rudolf Nurejew.

Ricardo Viviani:

Seine Aura, sein Auftreten, sein Tatendrang, seine animalische Energie: Vielleicht kannst Du über einige der Eindrücke sprechen, die er bei Dir hinterlassen hat.

Josephine Ann Endicott:

He was my kind of hero. I was one of his biggest fans. I just loved to study the way he worked. We did a film Don Quichotte. It was in an airport hangar where they used to store the airplanes. It was at the end of 1972. We were there for months and months in this hangar doing Don Quichotte. He was directing plus dancing the main part with Lucette Aldous. It was such hard work for the dancers, we would get up at 5:00 and finish who knows when. There were live chickens, a live donkey, fruits, vegetables. Even though they renewed some of the vegetables, after a longer time, everything just stunk. But I was always coming with a lot of energy and enthusiasm because I knew I was going to be there, studying this Nureyev, every part of him was special for me. How his face moved when he was doing an arabesque. How he would get angry with himself if he couldn't stay on balance. I even remember a performance in New York. It was Don Quichotte, and he takes this arabesque attitude, makes this face, that something was bothering him. Public was full. He went off stage. Something was slipping. He got some rosin and he came back and did the same thing, and then he went on. He allowed himself things that nobody else could because he was Nureyev, and I understand because he was just amazing. He was IT. He was dance, passion, beauty, love, madness. Oh, everything all in one person, and he was a worker. He was so disciplined. Yeah.

2

Ricardo Viviani:

In vielen Interviews hast Du über Deine erste Begegnung mit Pina Bausch gesprochen. Sie waren tatsächlich mit dem Folkwang-Tanzstudio gerade im April 1973 in London, also ziemlich genau vor 50 Jahren. Und dann hattest Du eine Begegnung mit ihr, Eure Blicke trafen sich und Du hast mit ihr gesprochen. Hans Züllig war auch dabei. Wenn ich an Dinge denke, wie Sehnsucht, dieses Gefühl der Einsamkeit, die Suche nach Verbindung – waren das vielleicht Eigenschaften, die Euch bei dieser Begegnung verbunden haben? Du warst sehr jung, und Pina Bausch war zehn Jahre älter.

Josephine Ann Endicott:

Ich würde sagen, ja. Es ist etwas, das ich auch 50 Jahre später noch zu verstehen versuche, aber die Wirkung meiner ersten Begegnung mit ihr war so stark, so vital. Als ob sie in mich hineingekrochen wäre, da war etwas von ihr, das ich spürte. Ich war ein sehr einsamer Mensch, vor allem in den Anfangsjahren, als ich vom anderen Ende der Welt kam. Australien ist so weit weg, es ist nicht um die Ecke. Wir waren eine ganze Reihe von Tänzern, die von weit her kamen, aber Australien war so ziemlich am weitesten weg. Es gab viele Parallelen, zum Beispiel konnte Pina Bausch kaum Englisch sprechen, als sie Deutschland verließ, um nach Amerika zu gehen. Sie erzählt, wie sie ihren Eltern zum Abschied winkte. Das ist schmerzhaft, wenn man erst 17, 18 Jahre alt ist. Als ich nach London kam, war ich 22, glaube ich. Ich war ein junges, naives Mädchen. Ich habe mich immer in die männlichen Tänzer in Australien verliebt, sie waren meist homosexuell oder verwirrt. Meine größte Liebe galt dem Tanz, und ich war in der Australian Ballet Company. Man sagte mir: „Du bist so talentiert, Jo, aber dein Gesicht ist zu rund“. Ich war jung, mein Körper war schön. Meine Proportionen und alles andere waren gut, aber mein Gesicht gehörte nicht zu diesem Bild eines Balletttänzers. Andere Tänzerinnen waren von hier bis hier (Hals) zu kurz, oder ihre Hände zu klein, sie hatten einen geschwungenen Rücken, oder ihr Po... Du weißt, es gibt keinen perfekten Körper.

Josephine Ann Endicott:

Aber bei Pina habe ich einfach ihre Liebe für mich gespürt, für etwas, das sie gesehen hat. Es hat ihr gefallen. „Ja. Ich will dich. Ich liebe dich“, so in der Art. Und ich war hingerissen. Sie war damals so schön für mich, sie blieb schön. Ich war sehr katholisch, religiös, und bevor ich in die australische Ballettschule aufgenommen wurde, dachte ich daran, Nonne zu werden. Die Schönheit von Pina war für mich etwas so Reines. Meine Arbeit, unsere Arbeit war wichtig, meine Religion war wichtig, aber diese Begegnung mit Pina schloss einfach alles ein, wonach ich suchte, als ich so jung war. Zu dieser Zeit hatte ich in England zu kämpfen. Ich nahm Tanzunterricht und kämpfte mit meinen Ersparnissen, also fing ich an, in Covent Garden zu arbeiten. Pina Bausch kam zu einer Aufführung in einem schwarzen Samtkleid, und ich wies ihr den Weg zu ihrem Platz. Ich spürte bereits, wie wichtig diese Person war, während ich sie mit Hans Züllig zu ihrem Platz brachte. Sie war ungeschminkt. Ich war immer beeindruckt von ihren Händen und den großen, weiten Schritten, die sie machte, ihren großen Füßen, der Art, wie sie rauchte. Vielleicht habe ich schon immer gerne Menschen beobachtet. Vielleicht habe ich gute Augen. Ich weiß es nicht, aber diese Person, Pina Bausch, war für mich exquisit. Sie hat mich gebeten, nach Wuppertal zu kommen. Ich hatte keine Ahnung, wo auf der Welt das war. Ich konnte kein Wort Deutsch, aber ich sagte zu. Ich war nicht wirklich auf der Suche nach einem Job, aber als sie mich fragte, konnte ich nicht nein sagen. Warum sollte ich nein sagen? Ich bin froh, dass ich nicht nein gesagt habe.

Ricardo Viviani:

In der ersten Spielzeit war eines der allerersten Dinge, die Pina Bausch gemacht hat, die Titelrolle in Yvonne, Prinzessin von Burgund . Hast Du das gesehen?

Josephine Ann Endicott:

Nein, ich habe es nicht gesehen, aber ich habe Fotos davon gesehen. Ich glaube sogar, dass das Kleid, das sie in diesem Stück trug, entweder dasselbe Kleid ist, das ich in Die sieben Todsünden trug, oder sehr ähnlich. Dieses Chiffonkleid. Wenn ich die Bilder von Pina in diesem Kleid sehe, denke ich: „Oh, das ist mein Kleid aus Die sieben Todsünden. “ Am Anfang hatten wir auch diese Nebenprojekte wie mit Peter Kowald. Ich habe Pina Bausch gesehen, wie sie diese Improvisationen zur Musik von Peter Kowald gemacht hat, und das war (tanzt) wirklich faszinierend. Ich habe sie also auftreten sehen. Sie trat auch in Fritz auf, einem unserer ersten Stücke von 1973, sie war nur die Großmutter, die auf dem Stuhl saß.

Ricardo Viviani:

War Improvisation etwas, mit dem Du als Balletttänzerin vertraut warst? Hattest Du in London Kontakt mit dieser Art des Tanzens?

Josephine Ann Endicott:

Nicht wirklich. Mit Pina sind wir diesen Weg der Improvisation und der Fragen und Antworten weiter gegangen. Damals war es vor allem Pina Bausch, die die Improvisationen machte. Wir haben manchmal kleine Choreografien gemacht, und ich habe etwas gemacht, das ein bisschen klassisch und ein bisschen verrückt war, aber das Choreografieren haben wir Pina überlassen.

Ricardo Viviani:

Als das Ensemble gegründet wurde, war es das Ballett der Oper. Es gab also Opern, die aufgeführt werden mussten, und es gab ein Stück, das Pina Bausch choreografiert hatte, eine Revue namens Zwei Krawatten. Erinnerst Du Dich, wie sie damit gearbeitet hat, was hast Du in diesem Stück gemacht?

Josephine Ann Endicott:

Pina Bausch war nicht sehr glücklich über diese Regelung. Wenn man damals im Opernhaus arbeitete, musste man auch die Opern tanzen. Für Pina Bausch war das ein störender Punkt im Vertrag, denn sie wollte, dass ihre Tänzer immer nur ihre Stücke tanzen. Trotzdem war es unsere Pflicht, die Opern zu machen, in denen es ein Ballett gab. Damals hießen wir noch nicht mal Tanztheater. Wir haben nicht viel mit Pina getanzt. Wenn man nicht zu ihren Lieblingen gehörte, musste man viel sitzen und den anderen beim Tanzen zusehen. Man war also ganz froh, in einer dieser Opern zu sein, denn immerhin tanzten wir in Fledermaus, Zigeunerbaron, André Chénier. Das Wuppertaler Publikum mochte die Oper, der Beifall war immer groß, aber als wir mit Fritz rauskamen, sind die Leute einfach gegangen und haben Tomaten oder was auch immer geworfen. Es war schön, mit Hans Pop zu arbeiten. Er hat Pina diese lästige Aufgabe abgenommen, so dass sie an anderen Dingen arbeiten konnte. Aber Zwei Krawatten war eine schöne Arbeit, die Choreografie hat Pina gemacht. Wir hatten diese Hüte und Kostüme aus der Charleston-Zeit. Ich erinnere mich, dass ich spielte, ich sei betrunken, und dass ich in einem Zug hing. Wir hatten bereits diese Art von Bewegungen (zeigt). Diese Art von Bewegungen, die in ihren Stücken geblieben sind, von Stück zu Stück waren die Bewegungen eine Fortführung von Pinas Arbeit. Wenn wir Dinge wie das Mahler-Stück von 1975 [Adagio – Fünf Lieder von Gustav Mahler] sehen, auch Der zweite Frühling, dann sind da die gleichen Bewegungen, wie sie in Café Müller, in Arien, in Orpheus und Eurydike vorkommen. Es ist immer wie eine Fortsetzung gewesen.

3

Ricardo Viviani:

Du erwähntest Adagio – Fünf Lieder von Gustav Mahler, das ist auch dort präsent, diese realen Menschen, reale Lebenssituationen, die auf die Bühne vorkommen, kombiniert mit dieser wunderbaren Mahler-Musik. Es gibt einige schöne Momente mit den vier von euch: Dominique Mercy, Malou Airaudo und Marlis Alt und die Beziehungen, die ihr untereinander zeigt.

Josephine Ann Endicott:

Pina Bausch hat sich sehr für Beziehungen und persönliche Probleme interessiert. Gute Sachen, dunkle Sachen, helle Sachen, aber in diesem Stück ist die Beziehung zwischen uns sehr klar: Wir waren Freunde. Marlis, Dominique, ich und ...

Ricardo Viviani:

Dies war ein dreiteiliger Abend, wie es in der Welt des Balletts üblich ist, drei Stücke an einem Abend. Das andere Stück von Pina Bausch war Ich bring dich um die Ecke….

Josephine Ann Endicott:

Beängstigend.

Ricardo Viviani:

Warum war es beängstigend?

Josephine Ann Endicott:

Also, ich saß auf einem Stuhl, so ganz allein in einem Pelzmantel. Ich hatte hässliche Schuhe an, mit einem hohen Absatz, aber nicht wie die Stilettos, die die Frauen im Tanztheater tragen, die so hoch sind. Ich hatte einen engen Rock an. Ich war dort allein mit all meinen Ängsten, was die Leute sagen werden: fettes Gesicht, all diese Dinge. Sie ließ mir die Freiheit, zu warten, bis das ganze Publikum still war und saß. Da war ich also. Die Haare waren auf altmodisch deutsche Weise frisiert, und ich musste diesen Text sprechen: „Ich bin eine anständige Frau.“ Damals konnte mir niemand so richtig sagen, was dieses Wort anständige eigentlich bedeutet. Es bedeutet, dass man eine anständige Frau ist, aber es bedeutet eigentlich, dass man keine anständige Frau ist. Ich hatte diesen Text, und ich wusste das nicht. Sie hat mir nicht gesagt, wie ich das machen soll. Ich musste einfach auf mich selbst vertrauen: „Warte Jo, bis alle ruhig sind und sag dann 'Ich bin eine anständige Frau, und Sie? Sie würden ja lachen. Ich bin wirklich eine ...'“, und dann habe ich angefangen zu singen, und wenn jemand auf der Welt nicht singen kann, dann bin ich das. Aber sie hatte den Text für mich auseinander geteilt. Später musste ich ein sehr bekanntes deutsches Lied namens Egon singen. Ich durfte spielen, ich sei betrunken, während ich es sang, deshalb kam ich damit durch, dass ich nicht singen konnte. Ich fiel vom Stuhl. Wir haben gemeinsam unseren Weg gefunden. Sie hat viel Druck auf mich ausgeübt, aber auch viel Vertrauen in mich gesetzt, und auch in die anderen Tänzer, denn sie alle hatten an diesem Abend ein Lied. Der Onkel Doktor hat gesagt ich darf nicht küssen oh, schöne kleine Lieder. Ich liebe sie alle, und sie waren dem deutschen Publikum damals sehr bekannt. Vielleicht hatte Pina diese Lieder als Kind gehört, weil sie in dieser Gaststätte aufgewachsen ist. Ich liebe diese Stücke, ich liebe die Möglichkeit, verrückt zu sein oder einfach ich selbst zu sein. Denn es ist in Ordnung, diese Macht zu haben, den Blickkontakt mit dem Publikum, zu wissen, dass man diese Art von Dingen tun kann. Ich denke, das ist etwas ganz Besonderes, eine Eigenschaft, die nicht jeder hat. Ich mag es auch, wenn ich im zweiten Teil von Die sieben Todsünden erschöpft von der Rolle der Anna zurückkomme. Ich setze mir in der Pause eine Perücke auf, trage Make up auf, Wimpern, Schönheitsfleck, Lippenstift und komme als eine völlig andere Figur heraus. Dann muss ich auf der Bühne zum Publikum gehen und mit ihm sprechen. Wenn ich fragte: „Pina, kannst du mir einen Text geben? Weil ich nach Anna so müde bin, dass mir manchmal die Worte fehlen?“ „Oh Jo, alles, was du sagst, ist wunderbar. Du schaffst das schon.“ Ich kam zurück auf die Bühne und ging nach vorne, dann passierte es einfach, in dem Moment. Ich habe immer etwas anderes gesagt, ohne zu wissen, was ich sage, denn das hat es für mich immer lebendig und nicht langweilig gemacht. Ich hasse es, mich zu langweilen.

Ricardo Viviani:

Das ist es, was Live-Theater wirklich besonders macht. Diese direkte Kommunikation mit dem Publikum. Das Bühnenbild für Ich bring dich um die Ecke… ist auch besonders. Kannst Du Dich daran erinnern? Kannst Du es vielleicht für uns beschreiben?

Josephine Ann Endicott:

Ich bring dich um die Ecke… Das ist mit den Tischen. – Ja. Nun, es gab viele Tische, das war alles. Wir hatten damals noch diese Straßenkleidung an. Wir trugen auch nicht so sehr diese eleganten Kleider, die Abendkleider. Wir waren einfach ein Haufen Leute, die etwas zu sagen hatten und die Pina Bausch bei ihrer Vision begleiten wollten. Aber es war nicht die Vision von allen Leuten, die sie am Anfang in die Kompanie holte, denn viele von ihnen wollten tanzen. Aber was ist Tanz überhaupt? In den ersten vielleicht sieben Jahren gab es also ein ständiges Kommen und Gehen von Tänzern. Nach dem ersten Jahr gab es schon Leute, die gingen, nach dem zweiten Jahr hatten sie genug, auch im dritten Jahr. Das Ensemble wurde erst nach sieben Jahre stabil. Viele Leute verpassten also diese sehr revolutionäre Anfangszeit, als das Publikum einfach ging und die Türen zuschlug. Es war hart, aber wir mussten mutig sein. Pina Bausch war die mutigste Person, sie hat nie aufgegeben. Das haben wir gemeinsam gelernt, und diejenigen, die nicht mutig genug waren oder etwas anderes wollten, sind gegangen. Ich gehörte anfangs auch zu denen, die gehen wollten, aber immer, wenn ich mit ihr sprechen wollte, sagte sie: „Aber ich liebe dich“ oder „ich brauche dich.“ Ich konnte es einfach nicht tun. Ich konnte sie nicht verlassen. Ich verließ sie nur, wenn ich wirklich erschöpft war, aber nur, um mich zu erholen und dann zurückzukommen. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich dort 50 Jahre lang bleiben würde. Niemals. 50 Jahre, na ja, das ist ein ganzes Leben!

Ricardo Viviani:

Es ist auch ein Privileg, in einem Umfeld zu arbeiten, das diese Langlebigkeit hat, in dem man mit ihm, in ihm, wachsen und dieses Erbe auch weitergeben kann.

Josephine Ann Endicott:

Es war ein großes Privileg. Es ist ein Privileg, hier in dieser Lichtburg sitzen zu können, die Tapeten fallen herunter, diese alten Lampen. Hier unten hat sich nicht viel verändert: die hängenden Kabel rundherum, die Wand, die nie verkleidet werden durfte. Vor ein paar Jahren gab es Geld, und sie durften da oben alles in Ordnung bringen: neue Duschen, ein paar Fitnessgeräte. Pina lebte noch, aber niemand durfte hier unten etwas reparieren, weil Pina wollte, dass es so bleibt, wie es ist, und es ist großartig. Es gibt kein anderes Studio auf der Welt, das so ist wie dieses. Die Heizung funktioniert nie, ich hasse diese Heizung. Das Licht ist wirklich schrecklich. Du versteckst dich immer hinter den Spiegeln, weil das Licht deinen Augen weh tut. Pina Bausch saß immer dort und hatte kein Licht. Wir saßen dort, das schlimmste Licht kam von dort, also hatten die Tänzer das Licht auf sich gerichtet. Pina saß dort an ihrem Tisch, das ist ihr Tisch... Ja, ja. Das hier ist voller Erinnerungen.

4

28:38

Ricardo Viviani:

Kommen wir zur dritten Spielzeit mit dem "Strawinsky-Abend " und dann Iphigenie auf Tauris. Der Strawinsky-Abend besteht aus drei Stücken. Sie wurden mal in einem Projekt mit der Pina Bausch Foundation, der Folkwang Universität und der Juilliard School neu einstudiert, und zurzeit, wird Der zweite Frühling wieder einstudiert. Würdest Du über Der zweite Frühling sprechen?

Josephine Ann Endicott:

Der zweite Frühling – vielleicht sollten wir ihn inzwischen "Der Fünfte Frühling" nennen – ist ein Stück mit Musik von Strawinsky. Ich persönlich liebe dieses kleine Stück, das nur 22 Minuten lang ist. Ich erinnere mich sehr gut an die Leute, die es zusammen mit Pina Bausch geschaffen haben, wie Vivienne Newport – wir waren damals gute Freunde. Alles, was sie macht, wie sie die Augen bewegt, wie sie die Sachen prüft, wie sie geht, all das ist so typisch für Vivienne. Ich sehe auch Jan Minařík in diesem Tango: so blöd, aber so genial. Jan Minařík mit all seinen Qualitäten und seinen schauspielerischen Fähigkeiten. Ich habe auch den Tango getanzt, ganz verrückt, mit den Beinen hier oben. Oh, der reine Wahnsinn. In der allerersten Fassung spielte Colleen Finneran dieses kleine Mädchen, mit diesem Schrei und all diesen Dingen (zeigt). John Giffin, Jan Minařík – er ist mittlerweile verstorben, Marlis Alt war die Dame in Weiß. Es war eine ganz wunderbare Erfahrung. Jetzt habe ich mit meinen Kollegen Dominique Mercy, Lutz Förster und Malou Airaudo den Deutschen Tanzpreis 2023 erhalten. Wir müssen einen Abend für die Verleihung planen und arbeiten jetzt an Der zweite Frühling als Teil der Präsentation. Es ist nicht einfach, diese Leute zu ersetzen, wir hatten gestern unsere erste Probe. Es ist sehr detailreich, aber ich bin froh, es zu machen. Trotzdem ist alles mehr Arbeit, als man erwarten würde: Die Musik ist so schnell. Ich werde nicht zufrieden sein, wenn es nicht genau so ist, wie es sein sollte. Gestern war unser erster Tag, es ist also noch ein Work-in-Progress. An dem "Strawinsky-Abend " wurden auch Das Frühlingsopfer und "Cantata " [Wind von West] aufgeführt.

32:07

Ricardo Viviani:

In Orpheus und Eurydike gab es zwei Besetzungen, die zusammen mit Pina Bausch daran arbeiteten, zwei Paare. Kannst Du Dich daran erinnern? Kannst Du uns sagen, wie der Prozess mit Pina war? Hat sie Bewegungen gezeigt oder sie mit euch fünfen ausgearbeitet: Malou Airaudo und Dominique Mercy, Du und Ed Kortlandt und Pina Bausch?

Josephine Ann Endicott:

Wir haben alle zusammen gearbeitet, aber da wir eine zweite Besetzung waren – Ed Kortlandt und ich –, hat Pina hauptsächlich mit Malou und Dominique gearbeitet, und wir haben die gleichen Bewegungen gelernt. Trotzdem ist so viel von Malou drin, besonders im vierten Akt. Im dritten Akt gibt es eine Menge klassischer Bewegungen (zeigt), die mir viel leichter fielen als Malou, glaube ich. Ich mochte das Gefühl, das die Musik ausstrahlt, die Sanftheit, die Schönheit, das Luftholen. Die Bewegungen waren sehr von Pina Bausch geprägt, aber es waren auch viele klassische Elemente dabei. Im vierten Akt ist es dramatischer, denke ich, und basiert mehr auf Malou und Dominique und ihren Gefühlen. Ich habe eine andere Energie als Tänzerin als Malou, so dass ich ein bisschen eine andere Eurydike sein durfte als Malou, genauso wie Ed Kortlandt ein bisschen ein anderer Orpheus sein durfte als Dominique. Trotzdem hatte ich damals ein kleines Problem, weil ich das Gefühl hatte, ein paar Kilos zu dick zu sein, nicht viel. Aber im dritten Akt haben wir nur diese enge Korsage an, eine Art Trikot mit einem langen Rock. Ich denke, wenn man eine Person tanzen sieht, und sie macht es glaubwürdig, dann ist es egal, wie korpulent sie ist. Wenn man zu hundert Prozent bei der Musik ist, und die Musik einen dorthin bringt, wo man hinmuss, dann ist es egal. Natürlich hat man manchmal Tage, an denen man denkt: „Oh mein Gott, ich sollte heute besser nicht dieses Stück Kuchen oder diese Tafel Schokolade essen“. Aber für Pina war das nie ein Problem. Tatsache ist, dass Malou und Dominique in diesem Stück so wunderbar waren, dass ich das Gefühl hatte, vielleicht nicht so stark zu sein wie sie.

Kapitel 4.3

Bewegungsstil
35:45

Ricardo Viviani:

Wenn wir von Pinas Bewegungen sprechen, kannst Du uns sagen, was Du da gesehen hast? Wie diese Bewegungen entstanden sind?

Josephine Ann Endicott:

Als Tänzer spielt jeder einzelne Teil deines Körpers eine Rolle, ob es die Finger, die Fingerspitzen, die Zehen sind. Zum Beispiel diese Beinposition von Pina – die ich als klassische Tänzerin nicht kannte – der Fuß ruht hier und das Bein hat diese schöne Linie (zeigt). Sachen wie diese Hüfthaltung, das ist so schön. Oder diese Armbewegungen, es sind nicht nur die Arme, die dich tragen, sie sind angefüllt mit Atem und einer Wölbung des Halses. Da ich aus dem klassischen Tanz kam und dieses Verständnis hatte, von Pose zu Pose und épaulement zu gehen, sehe ich etwas, das ich heute bei Tänzern sehr vermisse. Pinas Arbeit ist mit der klassischen verbunden, sie ist darin enthalten, aber bevor man überhaupt etwas anfängt, geht man mit dem Atem hoch, dann folgt der Ellbogen, dann die Hand: da ist eine Entfaltung. Wenn du oben ankommst und nicht mehr weiterkannst, dann gehst du nach unten (zeigt) und dann bringt dich der Rücken nach oben. Es geht nur um die Entfaltung. Das war alles neu für mich. Solche Hände (zeigt), das Anheben des Brustbeins, das musste ich schon für Iphigenie auf Tauris lernen, weil ich eine der Priesterinnen gespielt habe. Wenn wir rauskamen, war das alles hier oben, und ziehen, und runter (zeigt). Wenn ich es nur so mache (zeigt), ohne das Ziehen, ohne das Hochheben, ohne den Kopf und den Rücken hier in einer Linie, dann ist das nicht genug für mich. Oder wenn es einen Akzent gibt und man geht hier (zeigt), man muss dorthin kommen (zeigt Akzent) und dann kommen diese Arme runter und das geht hoch, man geht durch die Luft. Alles ist sehr detailliert. Es ist eine ganze Welt für sich. Wer die Chance hätte, und wer die Sensibilität hätte und sich die Zeit nähme, Pina Bausch zuzusehen, wie sie es vor einem macht und einem diese Bewegungen zeigt, [würde man es lernen]. Damals hat sie die Choreografie gezeigt. Es war also immer ein bisschen wie: (nonverbal) 'Uh huh, oh, ich wünschte, ich könnte es wie sie machen. Oh, ja.' Wenn man es konnte, hat man es gewusst. Pina hatte ihr Pokerface, aber ich wusste: 'Okay, sie ist zufrieden mit dir, Jo.' Ich glaube, weil ich diese wunderbare klassische Ausbildung hatte, dazu meine guten Augen und meine irische Mutter, konnte ich es [aufschnappen]. Wenn ich jetzt unterrichte, habe ich immer noch das Bild von Pina Bausch vor mir, die mir die Bewegungen zeigt, auch in "Sacre ".

Ricardo Viviani:

Was für eine Art von Choreografin war Pina, wenn es darum ging, Bewegungen zu kreieren? War sie eine Person, die etwas sah und sagte: „Oh, das ist schön für dich, DU kannst es so machen.“ Weil sie sich als Choreografin immer wieder etwas Neues ausdenken kann, oder war sie bereits präzise, wenn sie anfing zu kreieren?

Josephine Ann Endicott:

Sie war von Anfang an sehr sehr präzise, auch sehr technisch. Man musste etwas Bestimmtes zu erreichen versuchen: diese Fußhaltung, diese Linie. Zum Beispiel der Kreis in "Sacre ": Frag mich nicht, wie oft wir proben mussten, bis er saß, bis alles perfekt war. Sie war eine Perfektionistin. Dennoch hat jeder Tänzer seine eigenen Grenzen. Wenn man die Grenzen seiner Tänzer kennt – und sie kannte unsere – dann kann man sagen: „Ja, damit bin ich zufrieden“. Aber wenn sie wusste, dass man noch weiter gehen kann, dann war sie nicht zufrieden, und du selbst auch nicht, bis du weiter gegangen bist und an deine Grenzen gegangen bist. Wenn man zum Beispiel hierherkommt (zeigt), ist es nicht hier. Es ist hier! Ich hatte ein Problem, als ich das Solo in "Sacre " tanzte, wegen meiner Grenzen. Weil ich eine gute klassische Tänzerin war, waren meine Grenzen anders. Ich musste also lernen, innerhalb meiner Grenzen zu arbeiten. (zeigt) Wenn du beobachtest, wie jemand sich bewegt, kann du mit ihm seine Grenzen spüren. Inzwischen bin ich fast so streng wie sie: Ich bin auch nicht zufrieden, wenn ich sie nicht bis an ihre Grenzen bringe. So muss man in "Sacre " arbeiten, denn wenn man nicht bis an die Grenzen geht, wird einem niemand glauben. Glauben, dass du am Ende bereit bist zu sterben. Dass man fällt und tatsächlich tot ist. Pina Bausch und Bewegungen? Es gibt lustige Bewegungen, die sie hat in ... "Gebirge " [Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört]: solche Sachen (zeigt). So etwas würde man im klassischen Ballett nie machen. Ich meine, es war so schön, hier runterzugehen, hier hoch, und dann solche Sachen zu machen (zeigt). Ich liebe diese Bewegung: einfach das Haar halten, dann runtergehen und auf den Boden fallen. Sehr schlecht für deinen Rücken. Aber wenn man es macht und sich darauf einlässt, dann tut man sich auch nicht weh. Ich hatte wirklich Glück, dass ich sehr selten verletzt war. Ich war nie verletzt, nur als ich 60 war, hatte ich eine Hüftoperation, was für Tänzer normal ist. Trotzdem habe ich einfach weiter gearbeitet. Denn ich glaube, wenn man liebt, was man tut, dann wird man auch nicht krank. Ich wusste, dass ich für Pina da sein musste und nicht krank werden durfte, vor allem nicht, als ich Assistentin war. Denn wenn du krank bist, wer soll dann einspringen? Natürlich gibt es andere Assistenten, je nachdem, an welchem Stück man beteiligt ist.

Ricardo Viviani:

Mir scheint, sie hat immer versucht, die Leute hervorzuheben, die ihr gefallen. Wie in dem Strawinsky-Abend, am Anfang von "Cantata " hast Du diesen schönen Moment gehabt.

Kapitel 4.4

Wind von West
43:33

Josephine Ann Endicott:

Ja, ich weiß. Ich fühlte mich wie in der Kirche in "Cantata ". Da war etwas mit dem Gesang, dem Chor, den Bewegungen. Wenn man einfach die Hände über den Tisch bewegt. Ich liebe all diese kleine Details – „Nichts-Dinge“. Die „Nichts-Dinge“ in Pinas Stücken sind für mich etwas ganz Besonderes. Wenn es so aussieht, als ob nichts passiert, passiert trotzdem so viel, wegen der Atmosphäre oder wegen etwas, das im Raum steht.

Ricardo Viviani:

"Cantata" hat etwas Liturgisches an sich, der Titel schon ...

Josephine Ann Endicott:

Eigentlich heißt das Stück Wind von West.

Ricardo Viviani:

Ja, es heißt Wind von West. Wir nennen es "Cantata", weil das der Titel der Musik ist, wir neigen dazu, diese leichter zu merkenden Kurztitel zu verwenden. Hat es etwas Religiöses an sich?

Josephine Ann Endicott:

Für mich, ja. Ich habe mich in diesem Stück immer sehr heilig gefühlt. Ich hatte dieses kleine Kleid an. Am Anfang saß ich auf dem Boden in diesem lindgrünen, durchsichtigen Kleid. Es war 1976, ich hatte also noch das dicke Gesicht, sah also aus wie eine große Puppe. Das Publikum sah drei durch Gaze getrennte Räume. Die Gruppe lief auf die Bühne und machte diese Handbewegungen, ganz einfache Dinge (zeigt). Es ist so einfach, so voller Schönheit. In dem Stück gibt es eine Mutterfigur, die einen Vogel hält, als wäre er die Tochter, und ich bin das junge Mädchen, das sich verliebt. Die Bewegungen waren auch sehr schön: Ich gehe durch die Tür, dann mache ich eine Drehung und gehe von hier aus runter (zeigt). Und plötzlich geht man direkt auf den Boden, und dann kommt man wieder hoch. Jetzt komme ich zurück zu den Bewegungen hier (zeigt). Dann gibt es nur diese kleine Augenbewegung. Es sieht nach nichts aus (zeigt), aber es passiert etwas in dir, das dich dazu bringt, es zu tun. Sie war so instinktiv musikalisch. Ich liebte, was sie mit jeder Musik machte. Wenn ich nicht mit Pina Bausch gearbeitet hätte, hätte ich nie die Chance gehabt, diese Musik kennenzulernen, all die Musik in all den verschiedenen Stücken.

Kapitel 4.5

Musikalität
46:48

Josephine Ann Endicott:

Eines ihrer größten Talente war ihre Musikalität. Vielleicht haben wir bei der Musik, wie beim Brecht-Weill-Abend, irgendwie dasselbe empfunden. Die Dinge, die sie mit dieser Musik machte, waren auch für mich einfach perfekt. Als wir es zum ersten Mal machten, verstand ich den Text nicht so gut. Der Brecht-Text war sehr deutsch, aber er spielte für mich keine Rolle, weil die Musik so kraftvoll war. Ich wusste genug über die Geschichte, um die Person darzustellen, die ich spielte. Als ich 58 war und dieselbe Rolle spielte – die Rolle der Anna –, verstand ich den Text besser. Vielleicht habe ich die Rolle sogar mit mehr Bitterkeit gespielt, als ich 58 war, als mit 27, weil ich nicht nur die Musik, sondern auch den Text verstanden habe. Wer weiß das schon?

Ricardo Viviani:

Auch wie Du diese Bewegung jetzt zeigst, und die rhythmische Variation, die sie geschaffen hat, geht das so gut parallel zur Musik ...

Josephine Ann Endicott:

Alles, was sie mit Musik macht, ist so erstaunlich. Für jemanden, der weder Klavier noch Noten gelernt hat, ist ihr Verständnis für jede Art von Musik – Pop, Moderne, Fado, Bandoneon – einfach erstaunlich. Sie hatte Glück, Leute wie Matthias Burkhardt und Andreas Eisenschneider zu haben. Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr sie mit den Koproduktionen mit verschiedenen Ländern anfing, aber sie war immer sehr interessiert an der Musik und den Kulturen anderer Nationalitäten und anderer Länder. Sie brachte diese Musik für ihre Stücke mit zurück. Was für eine großartige Idee! Sie verstand sogar deren Musik. Wenn ich ein Stück wie Orpheus und Eurydike sehe, und was sie musikalisch gemacht hat, ist das so schön. Auch die Kostüme von Rolf Borzik – diese transparenten, durchsichtigen schwarzen Kleider sind die schönsten Kleider überhaupt. Ich würde sofort eines tragen, wenn ich die Gelegenheit hätte, irgendwo ein durchsichtiges Kleid mit einem schönen Schnitt zu tragen – man fühlte sich wunderschön in diesen Kostümen. Diese Gruppe von Tänzern in diesen schwarzen Kleidern, zusammen mit der Musik, die so voller Trauer und Traurigkeit ist, ist wie eine wogende Welle von Tränen (zeigt). Wenn man die Bewegungen richtig macht: Es geht darum, die Luft zu durchschneiden, sich zu erheben! Ich bin ein großer Fan der Bewegungen von Pina.

Ricardo Viviani:

Wenn man über die Kostüme in Verbindung mit der Musik und den Bewegungen spricht, entsteht ein Bogen zwischen Weiblichkeit, Sinnlichkeit, Schönheit und Traurigkeit.

Josephine Ann Endicott:

Es ist alles da! Wenn man diese Art von Kostümen anstelle eines Tutu tragen kann – auch wenn ich es geliebt habe, ein Tutu zu tragen, die rosa Strumpfhosen, die Spitzenschuhe, das Make-up, die Haare – hier hat man einfach das Gefühl, dass alles zusammengehört. Es ist alles eins. Das ganze Stück, die Kostüme, das Bühnenbild, der tote Baum auf der Bühne, dieser Glasspiegel, die kleine Kiste, das Grab im Hintergrund, dieser hohe überdimensionale Holzstuhl, alles ist voller Schönheit, all die Dinge, die in allen Ecken der Bühne passieren. Das weiß ich jetzt, als ich es getanzt habe, war ich nur eine Tänzerin. Aber wenn man diese Dinge einstudiert, und ich mache das mit "Orpheus " jetzt schon seit vielen Jahren – muss man als Regisseur alles wissen. Selbst heute, nachdem ich es fünf oder sechs Mal neu einstudiert habe, gibt es immer noch Dinge zu entdecken: was der Rabe bedeutet, oder die übergroßen Brotlaibe, oder der unerreichbare Apfel im Hintergrund. All diese Dinge, die Rolf Borzik und Pina Bausch als Partner mit großem gegenseitigen Einfluss dort hineingebracht haben. Sie haben sich immer miteinander ausgetauscht, im Studio, zu Hause. Sie haben nie aufgehört zu reden. Er hat nie aufgehört zu zeichnen oder sich um sie zu kümmern. Sie waren ein großartiges Paar. Außerdem war es auch wunderbar, dass Peter Pabst so lange blieb und ihr so treu war. Trotzdem waren diese Jahre anders als später.

5

Kapitel 5.1

Die Gruppe
52:58

Ricardo Viviani:

In dieser Spielzeit gab es Die sieben Todsünden und Lieder. Du spielst "Anna" mit deiner Schwester "Anna", eins und zwei. Wie war der Prozess? Hat sie nur mit den Solisten angefangen und dann mit der Gruppe gearbeitet?

Josephine Ann Endicott:

Die Gruppe ist in allen Stücken immer sehr, sehr wichtig. Wenn man ein Gruppentänzer ist, denkt man nicht, dass man eine wichtige Person ist. Aber die Gruppe hält das Stück zusammen. Seit ich als Probenleiterin arbeite, erkenne ich immer mehr, wie wichtig die Gruppe ist. Und ich möchte all den Tänzern, die früher – vor vielen Jahren, seit 1973 – in der Gruppe waren und deshalb dachten, sie seien nicht wichtig, sagen, wie wichtig sie waren. Denn sie waren es wirklich, aber vielleicht wurde ihnen nicht genug gedankt. Pina Bausch war immer im Stress. Und in diesen Tagen haben wir vielleicht nicht so viel Dank von ihr gespürt. Ja, aber das ist eine andere Geschichte. Wenn ich mich recht erinnere, haben wir bei Die sieben Todsünden zuerst nur mit der Sängerin und mir angefangen – mit den "Anna"-Leuten. Wir haben versucht, den Anfang des Stückes zu finden. Ich erinnere mich, dass vieles nicht funktioniert hat. Wir hatten eine Menge alter Koffer. Sie hatte eine Anzeige in der Zeitung: Sie suchte Koffer, alte Koffer. Dann hatten wir Millionen von Koffern, und sie blieben in dem Stück, vielleicht nicht alle. Wir arbeiteten an der Choreografie, und mitten in der Choreografie wusste sie nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Ich wurde richtig wütend. Wir haben dieses und jenes versucht, aber nichts hat funktioniert. Ich wurde so wütend, dass ich aus meinem Gefühl heraus herumging und anfing, die Stühle und alles, was im Raum stand, herunterzuwerfen. Das war großartig! Denn das war es, was sie brauchte, aber dieses Gefühl musste von mir kommen und nicht von ihr. Und so blieb es in der Choreografie. Die Gruppe: Manchmal wünschte ich, ich wäre in dieser Gruppe gewesen, denn ich liebte all diese Frauen, die all diese Dinge taten (zeigt). Die Gruppe hat mir immer gezeigt, wo ich hinmuss. Als ich "Anna" tanzte, habe ich sie gehasst: Sie zogen mich an den Haaren und zerrten mich hierhin, zerrten mich dorthin, und ich musste rennen. Wenn es etwas gibt, was ich auf der Bühne hasse, dann ist es rennen! Von diesem Ende der Bühne nach dort, und dann zeigt ein Mädchen auf mich: "Nein, geh da rüber." Eine andere zeigt woanders hin.. Es war so anstrengend, diese "Anna" zu spielen. Nicht nur körperlich, sondern auch, weil du von diesen Männern so vergewaltigt wirst. Du wirst in etwas verwandelt, das du dir nie vorstellen konntest. Ich fange in der Sonne an, du hast diesen Lichtstrahl. Ich stellte mir vor, ich bin ein sorgloser junger Mensch, naiv, und das ist meine Sonne in Australien. Vor jedem Auftritt habe ich eine Sonne gezeichnet, wie ein Kind. Ich kann nicht zeichnen. Aber wie ein Kind kann ich eine wirklich schöne Sonne malen. Ein Kreis, zwei Augen, ein Strich für die Nase, ein Smiley für den Mund und die Strahlen. Aber weil ich so dumm bin, musste es immer meine Sonne sein. Also habe ich eine halbe Stunde lang, bevor die Leute reinkamen, immer die Sonne gezeichnet, meine Streichhölzer hingelegt, die Zigarette. Und niemand durfte die Bühne überqueren oder auf meine Streichhölzer oder meine Zigarette treten, sonst hätte ich keine Zigaretten für die Aufführung gehabt.

Josephine Ann Endicott:

Ich bin keine Raucherin, also hat Pina das benutzt. Okay, ich bin in der Sonne, ich lächle, ich bin jung, ich bin schön, aber ich weiß es nicht. Dann holst du die Zigarette, weil sie rauchen will, und du versuchst es, zündest sie an und es ist wie (hustet – eklig). Pina brauchte dieses Nicht-rauchen-können. Durch das ganze Rennen hat man diesen schrecklichen Geschmack im Hals – ich hasse Zigaretten – bis zum Ende der Show, wenn man etwas trinken kann, um den Nikotingeschmack loszuwerden. Der schwierigste Teil des ganzen Abends war jedoch, am Ende da zu stehen, nachdem man all diese Sünden durchgemacht hat: Stolz, Zorn, [Gier], Lust, Neid, Völlerei, Trägheit – all das. Oh, und dann ist da diese Szene, wo sie vermessen wird. Hans Pop hat das immer gemacht: mein Bein öffnen, das Bein messen von von hier bis hier (zeigt). Und dann am Ende hier so (zeigt, zieht das Band). Es hat nicht weh getan, aber es war wirklich nicht schön. Dann legt er seine schmutzigen Hände auf meine Hüften (zeigt), und dann macht er all das (schiebt die Hüften von einer Seite zur anderen). Oh, wie ich das gehasst habe! Ich kann sehr weit auf eine Seite gehen, und er musste derjenige sein, der deine Hüften auf die andere Seite schiebt. Oh, mein Gott! Da waren auch noch all diese anderen Männer, und am Ende stehst du da, die Sonne ist wie weggewaschen. Es ist nichts mehr da. Die Gruppe drängt dich, dich gegenüber der Sängerin zu stellen, und sie ist meine Schwester, aber manchmal wurde sie für mich zu Pina Bausch – sie hat mich immer weiter und weiter getrieben. Wir müssen das Geld für das Haus auftreiben, für das Theater ... sie treibt mich immer weiter an. Dann singt sie diese schöne Musik: „Jetzt haben wir unser Haus in Louisiana, jetzt gehen wir zurück“. Wir haben alles erreicht, „nicht wahr, Anna?“ Dann kommt diese schwellende Musik, und man darf den Text erst in einem bestimmten Moment sagen. Man muss dastehen und die Tränen zurückhalten, dann musst du sagen, voller Hass und Erschöpfung: „Ja, Anna!“ Ich muss das sagen, nach allem, was mir widerfahren ist. Und es ist noch nicht vorbei, denn es ist noch ein bisschen Musik übrig, du stehst einfach da und sie sieht dich an. Und du stirbst innerlich, du hast deine Schönheit aufgebraucht. Dann kommt der Applaus danach, und man hat keine Lust, sich zu verbeugen. Es ist kein schönes Stück. Applaus, und dann musst du schnell weg, dich umziehen, eine Perücke aufsetzen und die Anführerin der Meute werden, die Puffmutter. Aber eigentlich will man nur aus dem Fenster springen, oder duschen, um all diese hässlichen Männerhände loszuwerden. Aber ich denke, am Ende war es gut, dass ich in der Pause diese Verwandlung machen musste, um über all das hinwegzukommen. Das, was ich in "Todsünde " gemacht habe, ist nicht leicht. Es ist wirklich nicht einfach, diese Figur zu spielen. Aber die Musik hat mich immer dorthin gebracht. Man macht keinen Schritt, weil er festgelegt ist, man macht einen Schritt, weil ein Gefühl einen dorthin führt. Ich habe in diesem Stück so viel gelernt, und Pina Bausch war sehr nett, weil sie es verstanden hat. Als wir wussten, dass wir "Todsünde " im Griff hatten, sagte ich zu Pina: „Schau, ich kann nicht jede Probe 100 Prozent geben. Ich weiß, dass ich es kann. Du kannst mir vertrauen.“ Sie wusste das, wir haben nie über Vertrauen gesprochen. „Bitte, wenn ich mich nicht in der Lage fühle, 100 Prozent zu geben, dann liegt das daran, dass ich die echten Gefühle für die Aufführung oder für die nächste Aufführung aufsparen muss. Weißt du, meine Gefühle sind wertvoll. Sie sind echt. Ich kann da oben nichts vortäuschen.“ Wenn ich es vortäusche, wird sie es nicht glauben, und das macht es schwieriger zu spielen.

Ricardo Viviani:

The Seven Deadly Sins is always done with live music. So, you have the singers and you have the orchestra. Do you have remembrances of of those persons, artists, musicians?

Kapitel 5.2

Sänger:innen
1:02:58

Josephine Ann Endicott:

Wenn wir von den Liedern sprechen, erinnern wir uns alle an Mechthild Grossmann, die einfach so unglaublich war in ihrem "Surabaya Johnny" oder mit der Peitsche in "Song von Mandalay". Das war ihr erstes Stück bei uns, mit dem sie mit Pina Bausch gearbeitet hat. Pina war so auf dieses Mädchen fixiert. Sie war so schön mit diesem Haar, den schönen Beinen, der Stimme, der Art, wie sie sprach. Sie sprach nicht wie eine Schauspielerin, sie sang nicht wie eine Sängerin – ihr Gesang war wie ein Tanz mit der Musik. Sie hat mich fasziniert. Ich habe es geliebt, von der Kulisse aus zuzusehen: als sie "Surabaya Johnny" mit dem Lippenstift sang, und dieses Gefühl des Verlustes – was für ein Schwein er war: „Du bist ein Schuft, Johnny. Du hast mich betrogen“, die Art und Weise, wie Pina Bausch diese Lieder mit allen Sängerinnen – ich glaube, es waren drei Frauen – bearbeitete. Am Anfang war Karin Rasenack, die Frau des Generalintendanten Hanno Lunin, dann Mechthild Grossmann, und die Puppenfrau, die ursprünglich von Ann Höling gesungen wurde, die auch die "Anna" in "Todsünde " sang, später hatten wir viele verschiedene Schauspielerinnen. Erich Leukert, der der Mann in Fürchtet Euch nicht war, das ist der Titel des zweiten Teils, den wir Lieder " nennen. Da gibt es viele verrückte Dinge: Alle Männer kommen als Frauen verkleidet mit Stöckelschuhen und Perücken. Das ist so kitschig, so hässlich, dass es so toll ist: mit Make-up, BHs, Korsetts. Es ist ein fantastischer Abend. Das ist ein wirklich großer Schritt, den Pina Bausch in eine andere Richtung gemacht hat. Und das Orchester ist dahinter platziert. – Es war nicht das erste Mal, dass wir mit Orchester gespielt haben. Schon Iphigenie auf Tauris war mit Orchester. – Also, ein nettes kleines Orchester im Hintergrund. Ein wunderbarer Abend, viele Farben, Wahnsinn. Wahnsinn. Pur: jeder Tänzer liebt es, dieses Stück zu tanzen, denke ich.

Ricardo Viviani:

Auch das Bühnenbild war etwas Besonderes.

Josephine Ann Endicott:

Die Bühne! Oh Gott, das war wie eine richtige Straße, nachgebaut nach einer Straße irgendwo in Wuppertal. Da gab es den Rinnstein, den Bürgersteig, eine Bordsteinkante und es gab Schmutzlöcher. Von Jahr zu Jahr, jedes Mal, wenn man auf diesem Boden tanzte, wurde er schlechter und schlechter. Es gab Abschnitte, bei denen ich jedem Kollegen sagen würde, wenn er wüsste, dass er auf diesem Teil der Bühne tanzen würde: „Vermeide es, dort hinzugehen. Du wirst dir den Fuß brechen.“ Das war eine echte Herausforderung. In diesen jungen Jahren war ich wirklich verrückt. Pina hat mich im zweiten Teil in viele Nummern gesteckt, so dass ich mehr und mehr erschöpft war, aber ich war trotzdem gerne dabei. Später habe ich mich aus einigen Dingen herausgenommen. Oh, in der zweiten Hälfte gibt es diese Tanten-Szene. Oh je! Ich liebe dieses kleine Duett. Dann kommen diese vier Frauen in ihren Pelzmänteln heraus. Sie schreien und singen – ich musste einfach gewinnen. Wir liegen alle in unseren Pelzmänteln auf dem Boden. Ich habe den größten Pelzmantel, aber ich habe die winzigste Unterwäsche. Ein anderes Mädchen kommt, sie hat Strapse, Strümpfe und ein schönes Korsett an – sie sieht schön aus, aber sie hat nur einen Fuchs um die Schultern. Ein weiteres Mädchen kommt, das noch schöner aussieht als ich, aber sie hat nur kleine Fellstückchen. Sie legt sie auf den Boden, und dann legen wir uns alle hin. Dann fängt sie an zu singen, dann antwortet eine andere, eine andere singt, und wir bekämpfen uns irgendwie gegenseitig. Dann gehen wir (singt): Ha ha, ha ha, ha ha, ha ha, haaa! Derjenige, der am längsten singen und schreien kann, gewinnt. Eine meiner besten Eigenschaften ist, dass ich ewig schreien kann. Also habe ich das Schreien immer gewonnen. Nach dem großen Schrei legt man sich wieder hin, und dann kommt die nächste Strophe. Die nächste Strophe ist die gleiche, aber der letzte Schrei ist noch länger. Dann stehst du auf und wirfst den Mantel (zeigt), und dann gehst du los. Ich halte inne, denke, schaue zurück und weiß, dass ich wirklich gewonnen habe. Dafür haben wir immer viel Beifall bekommen. Einmal habe ich so lange geschrien, dass mir schwindlig wurde, als ich mich hinlegte. Pina hat dich all diese Dinge einfach machen lassen, weil es Spaß gemacht hat, es war ein großer Spaß. Sie liebte es. Später habe ich immer weniger mitgemacht. Ich habe "Songs" getanzt, aber nicht "Anna", als wir es 2018 hier in Wuppertal wieder aufgenommen haben. Ich habe den Anfang getanzt, die "Tanten" und diesen schreienden Teil, und ich habe immer meine Originalkleider getragen. Die gleichen Kleider, die ich 1975 getragen habe, als wir "Todsünde" und "Lieder" zum ersten Mal aufgeführt haben, die habe ich immer noch getragen, ohne dass etwas angepasst werden musste, die gleichen Kleider und die gleichen Schuhe. Als ich meine Rolle der "Anna" Stephanie Troyak beibrachte, gab ich ihr alle meine alten Kleider, sogar die Unterhosen und den BH. Wir hatten eine zweite Besetzung mit Tsai-Chin Yu, und sie konnte meine Schuhe erben. Ich liebe es, in all meinen alten Sachen zu arbeiten, da stecken so viel Schweiß, so viele Erinnerungen drin.

1:11:03

Ricardo Viviani:

Zwei Sachen zu dieser Neueinstudierung. Zum einen geht es um Stephanie Troyak: Ihr Coaching hat dazu geführt, dass sie als eine der besten Performerinnen des Jahres ausgezeichnet wurde. Im Anschluss daran würde ich gerne über die Vorbereitung, Rituale, die Bedeutung von Dingen, die man für sich selbst tut, diese Stunde und das Make-up sprechen. Wie hast du dich auf diesen Auftritt vorbereitet? Bist du der Typ Tänzer, der auf die Bühne geht und herumläuft und im Kopf die Schritte macht, oder bist du der ruhige Mensch, der dasitzt und sich konzentriert?

Josephine Ann Endicott:

Es beginnt in dem Moment, in dem du aufstehst. Du weißt, dass du an diesem Abend etwas Besonderes machst. Je nachdem, um welches Stück es sich handelt, musst du also auf deine Energie achten. Mach also morgens nicht zu viel. Geh nicht einkaufen. Ich esse jetzt nicht viel Fleisch, ich könnte mich als Vegetarierin bezeichnen, aber wenn ich weiß, dass ich etwas körperlich so Anstrengendes tun muss, esse ich an diesem Tag vielleicht nur ein Steak. Denn ich glaube, ich brauche das Tier in mir oder das Tier im Fleisch. Es ist immer eine sehr kostbare, heilige Sache. Wenn ich reinkomme, vermeide ich es auch zu reden. Ich bin eigentlich ganz bei mir, ganz konzentriert. Vielleicht bin ich in der Nacht zuvor noch einmal alles im Kopf durchgegangen. Mein Platz in der Garderobe muss immer sehr aufgeräumt sein. Für "Anna" habe ich mich immer selbst geschminkt, aber für "Songs" wurde es gemacht, weil ich nicht genug Zeit hatte. Aber das Wichtigste kommt in den allerletzten fünf Minuten, wenn ich noch einmal auf die Toilette gehe. Pina lungerte immer im Flur in der Nähe der Umkleidekabine herum. Das Letzte, was du tust, wenn du dein Kleid anhast, ist, dass du zu ihr gehst und dir den "toi toi toi"-Kuss abholst und ein kleines ins Ohr geflüsterte: "Du wirst wunderbar sein“ oder „Ich liebe dich.“

Josephine Ann Endicott:

Das war alles, was ich wirklich brauchte, und da ich wusste, dass sie draußen sitzt, war sie für mich immer die wichtigste Person im Zuschauerraum. Ich weiß nicht, ob ich für sie, für mich oder für das Publikum getanzt habe. Aber auf jeden Fall war das Wissen, dass sie da war, eine große Hilfe, um an mich zu glauben. Deshalb habe ich es bei jedem Auftritt anders gemacht, auch in Todsünde ". Es gibt Momente, in denen man, wenn man etwas nicht gut genug macht, die Chance hat, es woanders auf den Punkt zu bringen. Man muss es auf diesen Punkt bringen. Du kannst es immer spüren, und du weißt, Pina spürt es mit dir. Aber sehr selten brauchten wir nach einem Auftritt Worte: Du wusstest es selbst, oder du bist vielleicht gerade irgendwo an ihr vorbeigegangen, und du wusstest, dass sie mit dir zufrieden war. Ich glaube, man weiß es selbst, wenn man eine gute Leistung erbracht hat. Und vielleicht habe ich immer ein oder zwei kleine Gebete gesprochen oder an meine Mutter gedacht, der ich zu danken habe, weil sie mich zum Tanzen gebracht hat. Als ich ein Kind war, habe ich oft geweint. Sie hat mich zu vielen Sportarten und anderen Dingen mitgenommen, aber ich habe immer geweint. Ich weiß nicht, ich hatte zwei Brüder. Sie hatten ihre Sportarten und ich war dazwischen. Als sich meine Eltern trennten, gab es zu Hause nicht viel Glück, aber schon auch mal Glück. Es war meine Mutter, die mich zum ersten Mal zum Ballett brachte, sie musste mich hinfahren. Wir hatten nicht viel Geld, mein Vater war dagegen, weil es Geld kostete. Aber in dem Moment, als ich hineinging und die Lehrer mich aufforderten, mich in die erste Position zu stellen und dies zu tun (zeigt port de bras), wusste sie, dass dies meins war, dass ich jetzt etwas hatte. Das Weinen hörte auf. Oh, ich weiß nicht warum? Meine Mutter hatte drei irische Schwestern und sie wurden alle mit dieser irischen Musik geboren, sie wollten alle tanzen, aber sie haben es nie auf die Bühne geschafft. Also wurde mir das alles als Kind in die Wiege gelegt. Ich wollte nie wirklich Tänzerin werden: von zu Hause weggehen, Opfer bringen, das oder jenes nicht haben. Es geht nur um Opfern. Es ist kein einfaches Leben, Tänzerin zu sein. Es ist nicht so, dass nach einem Auftritt ein Chauffeur kommt und man Blumen bekommt. Die Wahrheit ist, dass du mit der Schwebebahn nach Hause fährst, du nimmst den Bus, oder du fährst nach Düsseldorf, und dein Kind ist da und weint oder schläft. Aber das ist in Ordnung. Es macht mir nichts aus. Ich bin ein harter Arbeiter, ich mag, was ich tue. Aber wenn man keine Leidenschaft für das hat, was man tut, dann braucht man genauso gut gar nicht erst anfangen. Das stimmt.

6

Ricardo Viviani:

In der nächsten Spielzeit haben wir zwei Stücke, wieder über Missbrauch.

Josephine Ann Endicott:

"Blaubart " und Komm tanz mit mir. Ein weiteres Monsterstück.

Ricardo Viviani:

Fangen wir mit "Blaubart " an. In der Spielzeit 1976/77 haben wir "Blaubart " mit der Musik von Béla Bartók – die etwas anderes wurde...

Josephine Ann Endicott:

Mit dem Tonband. "Blaubart " ist auch nicht der Titel. Blaubart. Beim Anhören einer Tonbandaufnahme von Béla Bartóks Oper »Herzog Blaubarts Burg«. Nennen wir es Blaubart ". Das war eine Zeit, in der es viele Missverständnisse in der Gruppe gab. Ich glaube, es war eine Art Krise mit Pina Bausch und vielen der Tänzer der Gruppe. Ich kenne die Geschichte dahinter nicht, aber "Blaubart " ist sehr brutal. Sie begann bereits mit dem Frage-Antwort-System, aber die Fragen, die sie für die Themen in Blaubart " beantwortet haben wollte, waren sehr intim. Sie fragte nach privaten Dingen, zu intimen Sachen, und selbst ich ging einen Schritt auf Distanz zu ihr. Ich wollte einige dieser Fragen nicht beantworten, von denen ich dachte, dass sie das nicht zu wissen brauchte. Also saß ich manchmal einfach so da (stumm) – „Das beantworte ich nicht, Pina“. Es ist ein geniales Stück. Wenn man die Musik einfach so durchlaufen lassen würde, wie Bartók sie geschrieben hat, würde ich sagen, ich liebe es. Aber Pina hatte dieses Tonbandgerät, das Jan Minařík bediente, er spielte die Rolle des Blaubarts, und Marlis Alt war die Judith, später spielten Beatrice Libonati, Hiltrud Blanck, Colleen Finneran-Meessmann, und Malou Airaudo, glaube ich. Er spulte immer wieder Teile davon zurück und lief dann wieder zu seinem Tonbandgerät, drückte auf den Knopf, fuhr fort, lief zurück und wieder das Gleiche. Das ist in Ordnung, wenn man das vielleicht fünf Minuten lang macht, aber es zog sich durch das ganze Stück. In dem Stück gibt es Operngesangsstimmen, also hat es alles verdreht. Einmal verdreht, zweimal verdreht, drei, vier, fünf, sechs Mal. Es war wie in einem Irrenhaus. Wenn man jemandem so etwas antut, reicht es vielleicht, es einmal zu tun, zu schreien und zu Boden zu gehen, aber die Wiederholung des gesamten Blaubart " war, als würde man etwas in deiner Seele verdrehen. Dann alle Bilder am Ende zu wiederholen, gleichzeitig die Gefühle wieder heraufzubeschwören, das Kissen an der Wand, die Haare, die Blätter, die Linie, das Lachen... Es war ein anstrengendes Stück. Die Szene, in der Jan Minařík Marlis Alt am Bein zieht, und sie geht zurück an die Wand, er geht zurück und zieht am Bein und sie geht wieder zurück, und dann nimmt er sie hoch und schwingt sie herum und läuft mit dem Tonbandgerät und legt seinen Kopf an ihren Bauch. Hinterher, in der Dusche, hat man Marlis Alt oder Ruth Amarante oder die anderen mit blauen Flecken und schmerzendem Rücken gesehen. Für mich war es einfach einer zu viel, du bist ein bisschen zu weit gegangen. Trotzdem kann ich das nicht wirklich sagen, denn es ist wirklich ein tolles Stück. Aber es zu tanzen, gegen die Wand zu rennen – nicht so tun als ob, sondern wirklich gegen die Wand zu hauen – war anstrengend. Dann hast du diese drei Frauen: Jan Minařík hebt dich mit diesem Tuch auf (zeigt) und schwingt dich herum, dann lässt er dich auf einen Stuhl fallen. Das ist die erste. Das Gleiche macht er mit der zweiten, und eine dritte stapelt er übereinander. Es ist schwer, weißt du, es tut weh, aber wir beschweren uns nicht. Wir haben uns nie bei Pina Bausch beschwert. Also macht man einfach weiter und weiter. Aber dieses Stück war wirklich schwer, und die Tänzer waren nicht glücklich. Wenn man an ihrem Büro vorbeikam, sah man Pina tatsächlich weinen, weil sie sich in einer schwierigen Situation befand. Hast Du Pina jemals weinen sehen? Niemand sieht Pina gerne weinen, oder noch schlimmer, verletzt Pina mit irgendwelchen dummen Worten, die man vielleicht gesagt hat, weil man so müde war. Dieses Stück war extrem, sehr körperlich und geistig extrem. Es war anstrengend, aber was dabei herauskommt, ist etwas Großartiges. An der Neuinszenierung war ich nicht beteiligt. Auch hier in "Blaubart " ist die Gruppe so wichtig!

Ricardo Viviani:

Auch hier fängt die Gruppe als Musiktheater diese Atmosphäre ein.

Josephine Ann Endicott:

Ich kriege Gänsehaut, wenn ich daran denke. Der Anfang, mit dieser dunklen Musik (singt), ist unheimlich, eindringlich. Einmal hatten wir eine Aufführung in Paris, im Théâtre de la Ville, einige Monate später bekam ich einen Brief nach Hause von jemandem, den ich nicht kannte. Es war von jemand, der "Blaubart " in Paris gesehen hatte. Er schrieb, dass er suizidgefährdet war, und dass die Aufführung von "Blaubart" ihm das Leben gerettet hat. Nachdem er das Stück gesehen hatte, fühlte er sich von etwas geheilt. Ich weiß es nicht. Aber wissen Sie, es gibt viele Menschen da draußen – nicht nur bei "Blaubart "*, sondern bei der Arbeit von Pina Bausch – die diese wunderbaren Dinge, die auf der Bühne passieren, wirklich schätzen und sich damit identifizieren. Die Arbeit ist für alle, denn wir sind alle Menschen. Was wir als Menschen geben, kommt über die Rampe. Es kommt dorthin, wo es hinmuss. Das ist auch das Wunderbare an unserer Arbeit. Deshalb sollten wir weiterhin versuchen, sie auf dem Niveau zu tun, auf dem sie sein sollte, und niemals darunter.

1:27:13

Ricardo Viviani:

Das Stück Komm tanz mit mir ist ähnlich. Es geht um eine giftige Beziehung, aber in einer ganz anderen visuellen Umgebung. Es ist hell, es ist weiß. Vielleicht kannst du die beiden Sets beschreiben, was ihr macht, und die Sounds und Songs?

Josephine Ann Endicott:

Die Klangwelt ist wunderschön. Sie ließ die Gruppe und mich traurige alte deutsche Volkslieder singen. Üblicherweise müssen Sängerinnen im Stehen oder Sitzen singen, aber mit den Tänzern in dieser neuen "Pina World" singen sie auf den Schultern eines Mannes. Sie sangen quer liegend (zeigt), hereinkommend, hinausgehend, immer singend (singt): "Ich armes Mädlein Oh. Oh." Schöne Lieder. Da sind viele Bilder: Da war ein Mann, der einen toten Baum zieht, ein Mädchen ist in dem Baum und singt ihr Lied. Er zieht sie einfach ganz langsam, sie hat ein kleines Alltagskleid an, so schön. Oder zwei Männer halten sich an den Händen, und ein anderes Mädchen sitzt auf ihren miteinander verbundenen Händen, und sie winkt und singt ein anderes Volkslied, oder ein anderes Mädchen, das den Männern den [Kopf] abschlägt. Die Männer verkörpern – wie Du es nanntest – toxische Männlichkeit. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen mir und einem Mann – ein Schauspieler, später hat ein Ex-Tänzer diese Rolle übernommen. Die Männer tragen schwarze Stiefel, schwarze Wollhosen, ein weißes Hemd, einen schwarzen, langen Wintermantel, und alle haben einen schwarzen Filzhut. Das Bühnenbild ist weiß, wie eine eisige, glitschige Rutschbahn, wie auf einem Eisberg. Oben auf der Bühne hängt ein riesiger Baum im Fliegensystem und wartet. Gegen Ende, wenn für das Paar nichts mehr zu retten ist, stürzt der Baum auf die Bühne und rollt nach vorne, fast ins Publikum. Das ist sehr poetisch. Die Themen, die darin vorkommen, sind so real, so wie es Paaren heutzutage ergeht. Wir haben das Stück 1977 zum ersten Mal aufgeführt, und das letzte Mal in Japan, als ich 59 Jahre alt war (Juni 2010). Pina war bereits verstorben. Ich bin seit 43 Jahren verheiratet, ich weiß also, wie es ist, in einer Beziehung zu sein. Je älter ich also wurde, desto mehr konnte ich in das Stück einbringen, desto mehr wuchs ich in das Stück hinein. Bei dieser Art von Stücken kann man, wenn man sich privat weiterentwickelt, immer seine Erfahrungen in die Stücke einbringen. Manche Stücke wurden sogar noch stärker, je älter sie wurden. Sie haben ein Eigenleben, besonders Komm tanz mit mir.

Ricardo Viviani:

Was ziemlich erstaunlich ist, wenn ich daran denke, dass Pina 37, vielleicht 36 war, als sie das Stück geschaffen hat.

Josephine Ann Endicott:

Sie war 36 und ich zehn Jahre jünger. Wir wussten beide bereits eine Menge über das Leben und Beziehungen. Wir haben es auch in späteren Jahren neueinstudiert, als sie noch lebte, und sie konnte auch spüren, welche Möglichkeiten noch in dem Stück steckten. Aber ich erinnere mich daran, als wir es 2007 hier probten. Sie hatte Probleme mit einem ihrer neuen Stücke. Ich war 2007 engagiert worden, ich kam mit einem Vertrag als Tänzerin, Assistentin, fürs Archiv, als Probenleiterin und so weiter zurück. Ich hatte drei oder vier Monate im Archiv gesessen, und eines Tages kam sie und sagte: „Jo, ich glaube nicht, dass ich die nächste Premiere schaffe. Ich denke, es ist eine gute Idee, wenn wir Komm tanz mit mir zurückbringen.“ Ich sagte: „Was? Aber, Pina, ich sitze seit vier oder fünf Monaten in diesem Büro. Sitze hier 12 Stunden am Tag auf meinem Arsch. Du willst, dass ich jetzt, innerhalb von drei Wochen, aufstehe und Komm tanz mit mir mache? Ich bin 58, Pina. Ist das wirklich dein Ernst?“ „Ja Jo, ich glaube schon.“ Ich weiß nicht, wie ich das gemacht habe. Ich fing an, Trampolin zu springen. Ich tat dies und das. Ich habe noch dazu das Stück der Gruppe beigebracht. Am Ende kommst du dazu und machst deinen eigenen Part. Sie kam am Ende zu einer Probe, und wir machten einen Durchlauf. In der Mitte des Stücks sagte sie: „Jo, bist du in Ordnung? Musst du aufhören? Du siehst so erschöpft aus.“ Und ich sagte: „Pina, das ist der schlimmste Teil des Stücks, für mich ist es jetzt fast vorbei. Lass mich einfach in Ruhe, lass mich weitermachen.“ Sie hatte selbst vergessen, wie anstrengend diese alten Stücke waren. Sie hatte so viele andersartige Stücke gemacht, dass es ihr schwer fiel, so etwas wieder herauszubringen – „Oh, ja. Das habe ich gemacht. Ich habe das vergessen, Jo. Oh, das ist wirklich schwierig für dich, Jo. Ist alles in Ordnung mit dir?“ Aber ich habe ihre Kommentare nicht zu schätzen gewusst, denn ich musste da durch. Es ist eines dieser Stücke, bei denen man alles geben muss, hundert Prozent. Ich weiß nicht, was schwieriger war: Komm tanz mit mir oder "Todsünde". Es ist auch schwierig für das Publikum, so etwas zu sehen. Das ist wirklich eine Qual.

Ricardo Viviani:

Stimmt, du stehst die ganze Zeit auf der Bühne. Du hast sogar drei Kleider, die du wechseln musst.

Josephine Ann Endicott:

Alles auf der Bühne. Du versuchst, der Situation zu entkommen, denkst, diesen Mann, der mit Worten so gewalttätig ist, verlassen zu können. In dem Stück hat er eine Sonnenbrille auf. Er trägt einen weißen Anzug, einen weißen Hut und sitzt in diesem Liegesessel auf der Sonnenterrasse. Er schaut sich die Mädchen an, aber vor allem mich, die für ihn Fleisch ist. Er zwingt mich, unter diesen Stuhl zu gehen, und da ist eine Stange quer darüber. Ich liege da und die Stange ist hinter mir. Dann schreit er: „Und jetzt geh wieder raus, geh zur Tür hinaus und komm zurück und sag mir, dass du mich liebst.“ Ich renne kurz raus, komme wieder rein und stehe da. „Ich liebe Dich“, und ich meine es auch so. Und er schreit: „Nein, das glaube ich dir nicht! Geh zurück unter den Stuhl.“ Also gehe ich zurück unter den Stuhl, und er sucht sich verletzende Worte aus diesen Liedern aus. Und dann sagt er: „Geh zurück und sag es noch einmal." Und ich gehe zurück und sage es, fast genau so, und meine es wirklich. „Ich liebe Dich“. „Das glaube ich nicht! Komm wieder her.“ Und dann gehe ich wieder da drunter. Es ist so beschämend. Das ist der Moment, den ich am meisten gehasst habe: unter seinen Stuhl zu gehen und diese Worte zu hören. Weißt Du, wenn man Fernsehen schaut, weiß man, wie die Ehen der Leute sind. Diese Dinge passieren, sie können auf eine andere Art und Weise real sein. Pina Bausch hat diese Art von Dingen auf die Bühne gebracht, und die Person, die diese Beziehungen am besten darstellen konnte, war immer ich (lacht). Das war eines meiner Talente. Ich war immer gut darin, auf der Bühne zu weinen, zu schreien und zu lachen und trotzdem sehr menschlich zu sein. Ich bin nicht immer eine Tänzerin. Ich habe sozusagen zwei Leben, und das hält mich gut auf dem Boden. Beide Leben sind nicht einfach, aber das ist in Ordnung.



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